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Rasputins Tochter

Rasputins Tochter

Titel: Rasputins Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Alexander
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ein Nickerchen machen.
    Ich überquerte die schmale Straße und ging direkt zu dem Palast. Entlang des Fundaments des Gebäudes war eine Serie von Halbmondkellerfenster, und ich blickte in eines nach dem anderen und fand sie nicht nur dunkel, sondern mit dicken Eisenstäben verdeckt. Als ich mich auf die Zehen stellte, fasste ich hinauf zu dem Metallbrett eines der Fenster im Erdgeschoß und versuchte hineinzusehen, aber konnte es nicht. Das Zimmer drinnen war schwarz und die schweren Vorhänge waren fest gegen die Kälte zugezogen.
    Indem ich keine Zeit vergeudete, ging ich zur Ecke, wo die Lichter brannten. Bei einer Soirée, die im Gange war, war Papa mehr als wahrscheinlich dort. Diese frühen Stunden - es musste beinahe ein Uhr morgens sein - waren seine Lieblingsstunden zum Trinken und Tanzen, und die Möglichkeit der Ausgelassenheit erleichterte mich ein bisschen. Vielleicht hatte ich Unrecht, mir Sorgen zu machen. So hoffend näherte ich mich den Fenstern und konnte die Musik deutlicher hören. Tatsächlich erkannte ich die Melodie, eine der beliebtesten des Tages: „Yankee Doodle.“ Ich hörte Worte, was ich wusste, in der englischen Sprache und vermutete, dass die Musik nicht von einer kleinen Kapelle kam, sondern von einer dieser neuen Maschinen, die sich nur ein Fürst leisten konnte, ein Grammophon. Sogar als ich zuhörte, kam die Melodie zu einem kratzenden Ende und begann wieder.
    Die einzigen mit Licht erfüllten Fenster waren die letzten zwei oder drei im Erdgeschoß, und ich stand wieder auf meinen Zehen und versuchte, in eines davon hinaufzuschauen. Der feine weiße Vorhang war so hauchdünn, dass er beinahe transparent war. Das erste Ding, was ich ausmachen konnte, war ein hell erleuchteter Wandleuchter an der rechten Wand, das zweite war das kaum erkennbare Bild von jemandem, der das Zimmer durchquerte. Ich konnte nicht mehr sehen. Und über der lauten Musik konnte ich nichts hören, kein Lachen oder Reden.
    Dann hörte ich einen Schrei, nicht einen des Vergnügens oder Entzückens, sondern tief und heiser.
    Mein ganzer Körper wurde steif vor Panik. Das war keine Fürstin in Not gewesen, auch keine feine Dame. Es war ein Mann gewesen - mein Vater. Ich erkannte seinen Schrei sofort, denn der Ton seiner beunruhigten Stimme schwang tief in mir. Ich sprang hoch, versuchte in das Fenster zu sehen, aber konnte es nicht. Das Einzige, was ich sehen konnte, war die glühende Leuchte an der Wand, und das Einzige, was ich hören konnte, waren die fröhlichen schnellen Worte von „Yankee Doodle“.
    Dann geschah das Ende schneller als ich mir hatte vorstellen können: Ein einziger Schuss ertönte. Aber er kam nicht hinter den Spitzenvorhängen des Zimmers im Erdgeschoß hervor. Eher schien die Detonation meine Füße zu umkreisen, sofort von einem anderen Schrei gefolgt, dieser weniger gewaltig und unendlich verzweifelter.
    „Papa!“, schrie ich laut.
    Als ich mich vorbeugte, sah ich schwaches Licht aus einem Bogenfenster im Keller auftauchen. Ich fiel auf meine Knie, klammerte mich an den schweren Eisenstangen fest und versuchte hineinzusehen, konnte es aber nicht, denn das Fenster war mit schweren Vorhängen verdeckt. In meinem Herz der Herzen jedoch wusste ich genau, was geschehen war: Papa war zum Palast geführt, in irgendeinen Kellerraum gebracht worden, und dann … dann …
    Ich zog wie eine Verrückte an dem Fenstergitter, aber natürlich rührte es sich nicht. Ich drehte nach rechts, nach links, blickte hilflos die Straße rauf und runter. Was konnte ich tun? Wer könnte helfen? Auch wenn ich zum Himmel schrie, es würde keine Rolle spielen.
    Dann zuckte es vor mir, das Bild der winzigen Dienstbotentür in der Seite des Palastes. Ganz plötzlich war ich auf den Füßen und sauste den verschneiten Gehsteig hinunter. Das Hoftor war versperrt, daher rannte ich hinauf zu der kurzen Steinmauer, raffte die Falten meines Rockes hoch und kletterte hinüber. Ich rutschte aus, als ich meine Füße hinüberschwang, und fiel drinnen auf den Boden. Außer mir rappelte ich mich schnell auf und stürmte wie die Verrückteste der Narren zu der kleinen Tür. Es kam mir nie in den Sinn, dass sie versperrt sein könnte, es kam mir nie in den Sinn, was ich drinnen finden könnte, falls ich Zutritt zu dem Palast erlangte - oder was ich tun würde.
    Als ich die gewöhnliche Tür erreichte, zog ich daran mit aller Gewalt und sie flog tatsächlich auf. Ganz plötzlich fand ich mich auf einem kleinen Treppenabsatz

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