Rasputins Tochter
Welt zu bringen. Nicht nur das, sondern auf den Feldern, die um unserem Dorf lagen, wurden Arbeiter und Arbeitspferde gleichermaßen immer verletzt. Es fiel mir auf, als ich auf Saschas Wunde hinuntersah, dass diese nicht annähernd so schlimm war wie einige der Dinge, die ich mit angesehen hatte.
„Du hast Glück“, sagte ich, als ich mich dem Wasserhahn zudrehte und begann, die Wunde auszuspülen. „Es sieht aus, als ob das Messer nicht bis zum Knochen hinuntergeschnitten hat.“
Er sagte nichts, zuckte nur zusammen. Ich ließ vorsichtig das Wasser seinen Arm rauf und drüber laufen, spülte das Blut und den Schmutz und winzige Stückchen seines Hemdes weg. Sein Unterarm, der dick und stark und mit einem Schleier dunklen Haars bedeckt war, lag nun schwach und schlaff in meinen Händen. Ich wusste so wenig über ihn - und zweifelte an allem, was er gesagt hatte. Ob er aus Nowgorod war oder nicht, ob er die Universität in Moskau besucht hatte oder nicht - Dinge, die er mir an jenem Tag auf dem Flussboot erzählt hatte - wusste ich nicht, und doch trotz seiner Stärke war es offenkundig, dass er nie auf den Feldern gearbeitet hatte. Ich konnte erkennen, dass seine Finger nicht die eines Bauern waren, denn sie waren nicht schwielig, sondern weich.
Sobald ich seinen Arm abgewaschen hatte, erkannte ich, dass das Hauptproblem nicht die Schnittwunde war, sondern Saschas Blutverlust. Vor wie langer Zeit war dies geschehen? Wie viel Blut hatte er schon verloren?
„Sascha, du wirst zu einem Doktor gehen und das nähen lassen müssen.“
„Kannst du nicht -“
„Absolut nicht. Das Einzige, was ich jetzt tun kann, ist, sie zu verbinden. Wenn ich es fest genug mache, sollte es das Blut verlangsamen. Aber je eher du zu einem Arzt kommst, umso besser. Außerdem muss sie gründlich desinfiziert werden.“
Er zuckte die Achseln.
Ich griff zur Seite nach einem sauberen weißen Geschirrtuch, das ich fast so fest wie eine Aderpresse um seinen Unterarm wickelte. Obwohl das Geschirrtuch sofort vor Blut rot wurde, war ich sicher, dass es helfen würde. Ich nahm dann seine gute Hand und legte sie auf das Geschirrtuch.
„Drücke gut und fest hinunter und lass nicht los“, befahl ich. „Ich bin gleich zurück.“
Indem ich aus der Küche eilte, ging ich durch unser Speisezimmer zu dem verdunkelten Salon. Papas regelmäßigsten Besucher waren Gesellschaftsdamen, die drei- oder viermal die Woche zum Tee kamen und um Papas religiöse Überzeugungen zu hören. Diesen wohlerzogenen Frauen war die Bosheit müßiger Hände beigebracht worden, daher, als sie ihren Tee tranken und meinem Vater zuhörten, hoben sie Stricknadeln auf und arbeiteten. Und seit dem Kriegsausbruch natürlich hatten sie nur eines gemacht: Verbände aus Schnur. In unserem Salon verstreut waren nicht weniger als sechs Körbe, in jedem davon war ein Satz von fünf Stricknadeln, ein Knäuel Schnur und Verbände in verschiedenen Längen der Vollendung, alles wartete nur auf die fleißigen Hände einer Dame. Von einem Haufen schnappte ich einen Verband und sein dazugehöriges Knäuel Schnur.
Als ich jedoch zur Küche zurückkehrte, hörte ich ein schwaches Geräusch, eine Stimme oder ein Stöhnen, das von irgendwoher kam. Es konnte niemand sonst hier drinnen sein, nicht wahr? Ich horchte eine weitere Sekunde, aber hörte nichts. Beunruhigt ging ich zur Haustür und zog daran, aber sie war noch versperrt.
Als ich zur Küche zurückkehrte, arbeitete ich schnell, schnitt den Verband frei von dem Knäuel Schnur und band das lose Ende. Der Verband selbst war gut und dicht und lang, und mit Saschas Hilfe wickelte ich ihn nicht weniger als dreimal um seinen Arm. Dann riss ich ein anderes Handtuch auseinander und band es um seinen Arm, um alles an der Stelle zu halten.
Und dann … wieder dachte ich, dass ich etwas hörte. Als ich ganz still stand, hörte ich nach mehr Geräuschen, entweder von der Straße draußen vorne oder von irgendwo in unserer Wohnung. Warum war ich so sicher, dass es das Letztere war? Warum hatte ich plötzlich solche Angst?
Ich wusste, dass ich Sascha Tee oder Suppe machen sollte. Ich wusste, dass ich nach Fisch, oder besser noch einem Glas Kaviar, suchen sollte, der so reichhaltig und gesund war. Stattdessen befahl ich ihn von dem Schemel runter.
„Du musst dich hinlegen“, sagte ich zu ihm.
Als ich ihn durch die Küche begleitete, zog ich den Vorhang zur Seite und führte ihn in die Nische, wo Dunjas Klappbett hingestellt war. Indem
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