Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
Irgendjemand muss ihr im Aufwachraum, nach der OP, eine große Menge
Propofol in diese … Dings geschossen haben«, Lorenz fingerte auf seinem Handrücken
herum. »Ich weiß nicht, wie die heißen, diese Spritzen, die man auf der Hand reinschiebt
und da festklebt.«
»Braunülen«,
belehrte ihn Pohlmann.
»Ja, meinetwegen.
Jedenfalls hat sie so viel davon bekommen, dass sie für immer weitergeschlafen hat.
Der Betäubungsarzt wurde vom Dienst beurlaubt, obwohl er schwört, genau die richtige
Dosis verwendet zu haben. Er versicherte, sie sei fast aufgewacht gewesen, als der
Pfleger sie aus dem OP schob. Irgendjemand kennt sich mit der Materie ziemlich gut
aus und ist, möglicherweise mit einem OP-Kittel und einem netten Schildchen an der
Brust oder einer Haube auf dem Kopf, gar nicht aufgefallen. Eine schnelle Injektion
mit dem gleichen Mittel, nur ein bisschen viel eben. Eigentlich gar nicht dumm,
was?« Lorenz ordnete seine Zettel an der Pinnwand und sah Pohlmann an. Er fragte
sich, wann der Zeitpunkt endlich käme, dass der alte Spürsinn in Pohlmann erwachte.
»Wenn Ihre
Theorie stimmt, haben wir es hier mit einem Serienmörder zu tun, der es auf alle
Kläger aus ehemaligen Lebensbornheimen abgesehen hat.« Pohlmann stülpte die Lippen
vor und pustete in die Luft. »Hey, das ist wirklich heftig!«
»Im ersten
Fall gab es eine Obduktion, und bei Frau Seifert wird es auch eine geben – ist ja
klar. Das Problem ist die Beweisführung. Uns fehlt noch das gemeinsame Motiv.«
Pohlmann
löste sein Haar aus dem Zopf, schüttelte es und band es dann erneut wieder zusammen.
Lorenz betrachtete dieses Schauspiel mit Missbilligung. Pohlmann ignorierte dessen
Blick und sagte: »Wenn es tatsächlich so sein sollte, müssen wir mehr über diese
Menschen herausfinden. Über alle Kläger, ihre Vergangenheit, ihre Geschichte, ihre
Eltern, Adoptiveltern et cetera et cetera. Eine Menge Arbeit, die Sie natürlich
mir aufs Auge drücken wollen.«
»Sie sind
schon mittendrin, Pohlmann. Schöller hat nicht ansatzweise das Zeug, einen solchen
Fall zu lösen. Sein Vater mag ja ein guter Kriminalist sein, aber der Apfel fällt
eben nur manchmal nicht weit vom Stamm, wie man so sagt.« Lorenz las Resignation
und Unsicherheit in Pohlmanns Augen und spornte ihn an. »Sie schaffen das, Martin.
Ich bin sicher, Sie werden mich nicht enttäuschen. Haben Sie schon die Zeit gefunden,
die Akten durchzusehen?«
Pohlmann
nickte. »Ich habe gestern Abend damit begonnen, nachdem ich meine Bude wieder aufgeräumt
habe. Von dem Einbruch haben Sie gehört, oder?«
»Hartleib
hat es mir erzählt. Das zeigt nur, wie ernst dieser Fall ist.«
»Sofern
der Einbruch etwas damit zu tun hat. Bisher ist alles wilde Spekulation. Heutzutage
kann jeder übers Internet spitzenmäßige Pick-Sets beziehen, um jedes Schloss der
Welt aufzukriegen. Wir brauchen erst einmal einen Verdächtigen, oder?«
Pohlmann
kratzte sich am Kinn. »Ich werde mich heute in die Akten aller Kläger vertiefen,
und am Nachmittag wollte ich ins LKH zu Frau Braun.«
»Das ist
gut. Wir müssen so schnell wie möglich herausfinden, wie alles zusammenhängt.«
»Hat schon
jemand den Anästhesisten verhört, die Schwestern und Pfleger befragt, Spuren gesichert
und den ganzen Kram?«
Lorenz nickte.
»Die Kollegen aus Eppendorf waren in der Klinik und haben den Fall aufgenommen.
Die Klinikleitung hat kein Interesse daran, dass die Geschichte an die große Glocke
gehängt wird, und an einen Mord glaubt von denen sowieso keiner.«
Pohlmann
winkte ab. »Nein, natürlich nicht«, sagte er spöttisch. »Kommt ja auch nie vor,
so was.«
»Eigenartig
ist nur, dass der Mann der Verstorbenen von einer Ahnung seiner Frau sprach, so
als hätte sie gespürt, dass sie die OP nicht überleben würde.«
»Kommen
Sie, Lorenz. Das ist doch Hokuspokus. Es ist schon alles kompliziert genug. Lassen
Sie diesen metaphysischen Quatsch weg.«
Lorenz hob
die Hände, als wollte er sich in diesem Gefecht ergeben. »Schon gut. Ich gebe nur
wieder, was der Mann der Toten zu Protokoll gegeben hat.« Lorenz sah auf die Uhr.
Die Arbeit drängte. Martin verstand diese Geste und wandte sich zum Gehen, da meldete
sich Lorenz noch einmal zu Wort. »Ach, und Pohlmann …«, Lorenz wedelte mit einem
Blatt vor ihm herum und betrachtete ihn vom Scheitel bis zur Sohle, »… Sie könnten
sich mal ein paar neue Klamotten zulegen und ’nen anständigen Haarschnitt vielleicht.«
Pohlmann
seufzte und wünschte sich nach
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