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Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Gustmann
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hier als Boss aufspielen können.
Raus aus meinem Büro oder es setzt was.« Pohlmanns Ruhe begann sich zu verflüchtigen.
Er hielt nie sonderlich viel von den Psychotricks der Therapeuten. Schöller verharrte
regungslos in dem Sessel, schwang hin und her und zog an seiner Zigarette. Er ließ
sich Zeit mit seiner Ansprache und genoss die überlegene Wirkung seiner Gelassenheit.
»Ich beobachte jeden Ihrer Schritte, und sollten Sie einen klitzekleinen Fehler
machen, sind Sie weg vom Fenster. Ich kann Sie nicht leiden, Pohlmann. Daraus mache
ich kein Geheimnis. Ich finde Sie einfach nur zum Kotzen.« Schöller wedelte mit
der linken Hand, in der sich keine Zigarette befand, vor Pohlmann herum. »Wie Sie
schon aussehen, Ihre furchtbaren Klamotten, wie bei einem Penner. Wie Sie herumstolzieren,
wie großspurig Sie labern, all das find ich zum Kotzen, und dieser Platz, auf dem
ich sitze, ist mein Platz. Sie wissen das und ich weiß das. Also sehen Sie
zu, dass Sie so schnell wie möglich Scheiße bauen, damit ich hier wieder sitzen
kann. Tun Sie mir den Gefallen, Pohlmännchen?«
    Die ganze
Zeit über verharrte Martin, der normalerweise als friedliebend und verträglich galt,
in der Defensive. Er wollte Schöller ausreden lassen, er verstand seine miese Stimmung.
Doch ihn Pohlmännchen zu nennen, löste eine Lawine an Erinnerungen bei ihm aus.
Hänseleien aus der Schule über einen Zeitraum von vielen Jahren. Bestimmte Reaktionen
auf diesen Namen waren unlöschbar auf seiner inneren Festplatte eingebrannt. Alles
ging blitzschnell: Pohlmann trat zu Schöller, schlug ihm die Zigarette aus dem Gesicht
und packte ihn am Revers seines edlen Zwirns. Womit er indes nicht gerechnet hatte,
war, dass Schöller aus dieser sitzenden Position heraus einen kraftvollen Aufwärtshaken
in Pohlmanns Magengrube landen konnte. Martin war derart perplex und krümmte sich
hustend. Er wich einige Schritte zurück, während Schöller sich erhob und den obersten
Knopf seines Jacketts verschloss. Nicht einmal sein Scheitel hatte Schaden genommen,
während Pohlmann wie ein Walross schnaufte.
    »Ach ja.
Bevor ich es vergesse. Lorenz will Sie sehen. Er ist nicht gut drauf heute. Aber
versauen Sie es ruhig. Mich würde es freuen.«
    Pohlmann
schwieg, richtete sich auf und rieb seinen malträtierten Bauch. Dann machte er sich
auf den Weg zu Lorenz’ Büro. Er fand ihn, vor dem Flipchart hantierend. Die angehefteten
Zettel schienen sich erneut über Nacht verdoppelt zu haben.
    »Hallo,
Chef. Tut mir leid, dass ich zu spät bin, Schöller hat mich aufgehalten. Er hat
heute keine besonders gute Laune.« Lorenz sah über seinen Brillenrand hinweg. Er
war weitsichtig und hatte sich so oft über diverse Experimente mit Gleitsichtbrillen
geärgert, bis er zu seinem alten Horngestell zurückgekehrt war und beschlossen hatte,
bis zu seinem Lebensende damit leben zu wollen.
    »Schon gut,
Pohlmann. Ich kenne ja Ihre Macken. Wir haben ein Problem.« Wenn Pohlmann mitgezählt
hatte, müssten es genau genommen vier Probleme sein. Martin holte Luft, der Schmerz
ebbte allmählich ab.
    »Es gibt
eine neue Tote, und jetzt sage ich bewusst, es gibt ein neues Opfer.« Lorenz nahm
einen Zettel zur Hand und rückte die Brille zurecht. Die Herzschwäche vom Vortrag
schien es nie gegeben zu haben.
    »Eine Frau
namens Ursula Seifert. Lehrerin im Ruhestand.« Pohlmann sah Lorenz fragend an.
    »Die Tote
ist aus einer Operation nicht wieder aufgewacht. Routine-OP am Blinddarm. Lag tot
im Aufwachraum. Erster Verdacht, Herzstillstand durch zu viel oder zu schnell injiziertes
Propofol.« Pohlmann drehte sich um. Dieser letzte Satz setzte bei jedem, der ihn
hörte, Assoziationen zu Michael Jacksons Tod frei.
    »Augenblick,
Chef. Wieso machen Sie aus ihr ein Opfer? So einfach ist das nicht. Der Anästhesist
verabreicht einem Patienten in der Regel nur so viel Propofol, wie der Chirurg für
die Zeit der OP benötigt. Kaum ist er fertig, kann der Patient in der Regel kurze
Zeit danach wieder aufwachen. Das ist nicht mehr so wie früher, dass man noch stundenlang
zugedröhnt ist und die Bude vollkotzt.« Lorenz schien beeindruckt von derart profunden
Kenntnissen zu Fragen der modernen Anästhesie. Er schnalzte mit der Zunge, um Essensreste
des Frühstücks aus den Zahnlücken zu drücken. Pohlmann verzog das Gesicht, ließ
ihn aber gewähren. »Also, noch mal. Woran genau ist sie gestorben?«
    Lorenz pulte
mit einem Fingernagel in einer hinteren Zahnlücke.
    »Wie ich
schon sagte.

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