Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
sah ihn flüchtig an.
Nicht einmal die grauen Bartstoppeln machten einen ganzen Kerl aus ihm.
Alter Sack . Ich
habe den Auftrag, dich zu töten, weißt du das eigentlich? Genieß dein Pils, es wird
dein letztes sein, hab ich gedacht. Ich bestellte mir ein Bier und einen Kurzen.
Ich prostete ihm mit einem leichten Nicken zu, ganz unauffällig, und tat, als gefiele
mir der Ausschnitt der Tussi genauso gut wie ihm. Er war mal wieder schlecht drauf
– sah man gleich. Eine Scheißlaune hatte der. Bluffte die Kellnerin an, sein Bier
sei lauwarm. Er wolle ein neues, dabei hatte er das Glas schon halb ausgetrunken.
Als Uschi, so hieß sie, glaub ich, ihn ignorierte, wurde er immer lauter. Der Scheißkerl
wusste, dass sie bis halb zehn allein war. Bei ihrem Chef würde er nicht so eine
dicke Lippe riskieren. Bestünde ja die Gefahr, dass sie ihn rausschmeißen. Bei dem
hielt er die Klappe, meistens jedenfalls.
»Ist scharf
die Alte, hm?« Ich hob das Bierglas und wir stießen an. Die erste Kontaktaufnahme
war erfolgreich.
Er nickte
und stierte. »Hm.«
»Haste keine
Alte zu Hause?«, sagte er zu mir.
»Nee«, sagte
ich.
»Sei froh«,
meinte er. »Die machen nur Trouble. Lieber ab und zu ’nen One-Night-Stand, keine
Verpflichtung, kein Gelaber. Bloß keinen Stress.« Der Typ tat so, als wenn er 30
oder 40 wäre, aber mit 70 passte so ein Gequatsche echt nicht. Ich sah Uschi hinterher.
Eigentlich war sie ganz süß. Sie tat mir leid, ständig solche Arschlöcher bedienen
zu müssen. Jetzt wurde der Kerl warm. Er reichte mir die Hand. »Hi, ich bin Bernd.« Ja, das weiß ich schon lange, dachte ich . »Cool, ich bin Kevin. Geile
Kneipe. Scharfe Braut.« Ich deutete zu Uschi hin. Seine Augen flackerten, als er
Uschi ansah. Sie war bestimmt 45 Jahre jünger als der Alte. Trotz Jeans, aufgeknöpftem
Hemd, Silberkettchen und coolen Sprüchen wirkte er eben wie 70 und nicht wie 50,
wovon er ausging oder was er hoffte. Schon eigenartig, dass sich so ein Kerl mit
einem wie mir überhaupt unterhielt. Er hätte mein Opa sein können, benahm sich aber,
als seien wir gleich alt.
Mann, hast
du Probleme, dachte ich noch. Hast es bald überstanden.
Ich lud
ihn auf ’nen Drink ein. »Trinkste noch ein Bier mit? Ich geb einen aus. Hab heute
’n bisschen Kohle gekriegt.«
S. sah mich
interessiert an. »Was machste denn beruflich?«
»Arbeite
im Krankenhaus.«
»Arzt?«
Schäfer trank sein Bier aus und winkte Uschi rüber. »Zwei Bier, zwei Klare, aber
zack, zack.« Grinsend sah er mich an. »Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja. Nee,
du bist kein Arzt, viel zu jung.«
»Bin ich
auch nicht.« Ich kann’s dir ja sagen. Hast ja keine Gelegenheit mehr,
es auszuposaunen.
» Bin daMädchen für alles, sozusagen. Kenn mich ziemlich gut mit allem aus.«
»Alles klar.
Wie’s aussieht, kann ich bald auch die dicke Kohle machen.«
»Echt? Wie
das denn?«, fragte ich. Der Kerl hatte total angebissen.
»Wenn alles
gut läuft, sind ein paar Hunderttausender drin.«
»Cool. Und
was musste dafür tun? Einen umlegen oder was?« Ich lachte, aber so witzig fand er
das nicht.
»Hat was
mit ’nem Prozess zu tun. Wir verklagen da zwei Typen, die es ziemlich dicke haben.«
Uschi brachte
auf einem Tablett zwei Bier und zwei Aquavit. Erst schütteten wir die Aquavit runter.
»Los, komm, zum Nachspülen.« Dann tranken wir das Bier fast auf Ex. Bald müsste
es so weit sein, dachte ich. Irgendwann muss der Kerl doch mal schiffen gehen. Tat
er dann auch. »Ich muss mal eben …« Ich nickte verständnisvoll. Mann, war das einfach.
Ich drehte mich um, so als wenn man sich die Szene in der Kneipe reinzieht, wippte
mit den Beinen zur Mucke, zog das Fläschchen mit K.-o.-Tropfen aus der Tasche und
kippte es ganz unauffällig in sein Bier. Niemand hat was gesehen. Sind ja sowieso
alle mit sich selbst beschäftigt.
Kaum kam
er wieder, schnappte er sich das Glas und haute es weg. Klasse, dachte ich. Bald
biste dran. Ich bestellte uns noch ein Bier zum Schluss. Ich freute mich, wie einfach
das mal wieder ablief. Das würde sein letztes sein. Keine Ahnung, ob es da, wo der
Kerl hinging, auch Bier gab, aber hier war es definitiv sein letztes.
Nach zehn
Minuten begann er, auf seinem Hocker hin und her zu wanken, nahm die Brille ab und
rieb sich die Augen.
»Was ist
los? Ein Bier zu viel gehabt?«
S. reagierte
erst gar nicht, und ich kriegte Angst, ob ich ihm zu viel ins Glas geschüttet hab.
Die ganze Flasche eigentlich. Fast dasselbe Zeug, was er zu
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