Rassenwahn: Kriminalroman (German Edition)
Hause zum Pennen nahm,
nur eben flüssig.
»Keine Ahnung.
Normalerweise kann ich locker …«
»Hey, macht
doch nichts. Aber fahren kannste garantiert nicht mehr. Los, Alter. Ich bring dich
nach Hause. Kannst ja kaum noch laufen.«
Ich legte
die Kohle auf den Tresen und zwinkerte Uschi noch mal zu. Echt ’ne süße Schnecke.
Werd sie wohl mal anquatschen demnächst. Bernd hakte sich bei mir unter. Musste
mich total beeilen, bevor der mir ganz abkackte. Hab ihn in mein Auto gehievt und
dann zu ihm nach Hause. Der hat sich noch nicht einmal gewundert, wieso ich den
Weg kenne, so zugedröhnt war der. Ich zog seinen Schlüssel aus der Jackentasche,
schloss auf und hab zum Glück keinen Menschen getroffen. Hätte gesagt, ich sei sein
Sohn oder Enkel oder irgend ’nen Quatsch. Der Rest ging ganz schnell. Hab ihm alle
seine Pillen im Glas zerquetscht, mit Whiskey aufgegossen und ihm unter die Nase
gehalten. Den Rest der Pulle hab ich später weggekippt, damit es aussah, als hätte
er viel mehr gesoffen. Er torkelte in der Wohnung umher und begann, sich auszuziehen.
Plötzlich hatte er keine große Klappe mehr. War friedlich wie ein Lämmchen. Tat
mir fast ein bisschen leid, der Arsch.
»Los, Alter,
hau weg. Das macht dich wieder fit. Ich kenn mich aus mit medizinischen Dingen,
weißte doch.«
Er nahm
das Glas, roch den Whiskey und drehte sich angewidert ab. Mist, damit hatte ich
nicht gerechnet. Nun musste ich ein bisschen gröber werden. »Los, trink das. Morgen
biste wieder fit.«
»Ich will
aber nichts mehr trinken«, lallte er. Er machte schon die Augen im Stehen zu. Vielleicht
brauchte er gar keine Pillen mehr, aber es musste so aussehen, als wenn er wirklich
von sich aus Schluss machen wollte. Als der Alte das Zeug partout nicht trinken
wollte, hab ich ein bisschen nachgeholfen. Mit meinem Spezialgriff. Den Ober- und
Unterkiefer zwischen den Zähnen zusammendrücken, bis die Klappe aufgeht, und dann
zack, rein mit dem Zeug. »Los, schluck das, bevor ich dir wehtun muss.« Tja, und
dann hat er sich 40 Rohypnol reingepfiffen, zusätzlich zu dem, was er schon von
mir in der Kneipe intus hatte. Im Falle einer Obduktion würde das Ketamin von mir
in der Riesendosis Rohypnol gar nicht auffallen. Ich war mir sicher, das würde garantiert
ausreichen. Und verdammt – es reichte. Der Typ war so breit wie noch nie. Ich karrte
ihn zum Bett, zog ihm die Schuhe aus und legte ihn wie einen nassen Sack drauf.
Licht ließ ich brennen, rührte nichts an und haute wieder ab. War echt ’n Kinderspiel.
Kapitel 22
Hamburg-Eimsbüttel, 5. November,
2010
Gegen Mittag erwachte Martin erneut
und checkte seine inneren Systeme ab. Es würde gehen, dachte er. Der Kopf dröhnte
nicht mehr so, der Hals tat beim Schlucken nur noch ein wenig weh, die Nase war
dicht, aber das Fieber schien dank der Pharmaindustrie auf ein Maß gesunken zu sein,
das es einem gestattete, wieder einigermaßen klar zu denken. Nach dem Aufstehen
stieg er in seine zerrissenen Jeans, zog ein Sweatshirt an und ging in die Küche.
Appetit erschien ihm als ein gutes Zeichen, und er beschloss, ein Fertiggericht
in der Mikrowelle zu erhitzen. Gulasch mit Püree und Gemüse. Mein Gott, wie tief
bin ich gesunken, drängte es sich ihm auf.
Er aß das
geschmacklose Zeug direkt aus der Verpackung. Ab der Hälfte der emotionslosen Verrichtung
schob er die schlechte Idee von sich fort. Danach steuerte er das Wohnzimmer an.
Sein Blick fiel auf die Zigaretten, Tabak und Blättchen. Er ignorierte die Feinde
des langen Lebens, stapelte einige Akten übereinander und schlenderte ins Schlafzimmer
zurück. Barfuß, aber mit Jeans und Pulli, stieg er ins Bett und ließ die Akten auf
die freie, unbenutzte Fläche neben sich plumpsen. 1,60 Meter waren mehr als breit
genug für derartige Arbeiten im Bett.
Sein Blick
streifte einige Sekunden im Schlafzimmer umher, ohne etwas Bestimmtes dabei im Auge
zu haben. Er dachte nach: Nicht über das gemeinsame Foto von Sabine und ihm an der
Wand, aufgenommen bei ihrem letzten gemeinsamen Urlaub auf Korsika. Nicht über die
geblümten Gardinen, wegen derer sie sich gestritten hatten, als Sabine sie unbedingt
wollte und sich Martin seufzend gefügt hatte. Nicht über die Tiffanylampe an der
Decke, die ihnen spontan gemeinsam gefallen hatte und unter der sie atemberaubenden
Sex gehabt hatten. Nein, er dachte nicht über seine Schuld oder Unschuld am Tod
von Sabine nach, er versuchte es jedenfalls. Es galt, diese Gedanken, die sich
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