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Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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vorgaukelten.

    Oberstaatsanwalt a. D. Kreimeyer führte Trost und Stephan in das Wohnzimmer seines Hauses. Das Mobiliar spiegelte Geschmack und Zeitgeist der Epoche wider, in der das Haus errichtet worden war. Die Couchgarnitur mit ihrem orange-grünen Bezug, die Essecke mit massiven Eichenstühlen und die darüber hängende Lampe mit schwerem Kupferschirm standen nicht für die Einrichtung, die Stephan bei einem früheren Oberstaatsanwalt erwartet hatte, doch er merkte schnell, dass der freundliche schlanke Pensionär ganz und gar die Gutbürgerlichkeit lebte, die sein Haus verkörperte. Stephan verfolgte den anfänglich belanglosen Wortwechsel zwischen Trost und Kreimeyer, der im Zeitraffer Stationen der Vergangenheit wachrief und an markante Prozesse erinnerte, in denen Kreimeyer die Anklage vertreten und Trost die Verteidigung übernommen hatte.
    »Maxim Wendel betreibt eine Wiederaufnahme des Verfahrens?«, wiederholte der Pensionär ungläubig, als Trost den Anlass des Besuchs erläutert hatte.
    »Es war ein Fall, der im Ergebnis glatt durchlief – abgesehen von Wendels hartnäckigem Leugnen. – Rechnen Sie sich denn Chancen aus, Herr Dr. Trost?«
    »Die Wiederaufnahme betreibt mein junger Kollege hier, Herr Knobel«, erklärte Trost.
    »Das wird ein schwieriges Unterfangen«, prognostizierte Kreimeyer und blickte Stephan mit einem Gesichtsausdruck an, der gleichermaßen Ermutigung und Bedauern signalisierte. »Jeder Angeklagte darf lügen. Und Wendel machte von diesem Recht reichlich Gebrauch. Wie so viele andere auch. Ich habe die Lügner über Jahrzehnte kennengelernt.«
    Kreimeyer lächelte gütig, während Stephans Groll wuchs. Waren die Ansichten des Herrn Kreimeyer ein fast zwangsläufiges Produkt seiner langjährigen Arbeit als Ankläger, die sein Denken in eine bestimmte Weise ausgerichtet hatten und neuen Ansätzen keine Chance gaben?
    »Ich habe gravierende Zweifel daran, dass Wendel der Täter war«, sagte Trost, der Stephans Unbehagen spürte. Stephan staunte insgeheim. So weit hatte sich Gereon Trost bei seinen bisherigen Einschätzungen nicht vorgewagt. Erstmals stellte er deutlich die Täterschaft Wendels in Frage, obwohl sie seit ihrem letzten Gespräch keine neuen Erkenntnisse gewonnen hatten. Diese Zweifel hätte Trost beim Gericht im Prozess gegen Wendel wecken müssen. Dann wäre er freigesprochen worden.
    »Zweifel?«, wiederholte Kreimeyer.
    Gereon Trost fasste pointiert die Fragen zusammen, die sich aufdrängten.
    Kreimeyer strich sich mit der Hand durch sein Gesicht und dachte nach.
    »Ich möchte wissen, warum diese Fragen nicht seitens des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft gestellt wurden«, warf Stephan ein, ohne die Versäumnisse Trosts zu erwähnen.
    »Jeder hat seine Rolle – und jeder hat seinen Blickwinkel«, antwortete Kreimeyer. »Glauben Sie nicht, dass die Staatsanwaltschaft leichtfertig Anklage erhebt. Sie ist von Gesetzes wegen verpflichtet, auch all das zu ermitteln, was zugunsten des späteren Angeklagten spricht. Aber wenn sich nichts Entlastendes ergibt, füllt die Staatsanwaltschaft mit aller Konsequenz ihre Rolle als Anklägerin aus.«
    »Heißt das, dass der in der Anklageschrift vorgetragene Sachverhalt nicht mehr hinterfragt wird?«, fasste Stephan provokant nach.
    »Das heißt, dass es in erster Linie Sache der Verteidigung ist, hier entgegenzuwirken. Und es ist Aufgabe des Gerichts, die widerstreitenden Positionen zu würdigen. Staatsanwaltschaft und Verteidigung sind unter Leitung des Gerichts im Gleichgewicht zu halten. Aus dem Gleichgewicht folgt die Gerechtigkeit.«
    »Eine einfache Formel«, meinte Stephan.
    »Eine Formel, die sich bewährt hat«, entgegnete Kreimeyer gelassen. »Sie sind ja noch ein richtiger Rebell, Herr Knobel! Glauben Sie mir, das schleift sich ab. Schade, dass wir uns beruflich nie begegnet sind.«
    »Die Gelegenheit ergab sich zwangsläufig nicht«, klärte Stephan auf. »Ich bin kein Strafrechtler.«
    »Oh!«, staunte Kreimeyer. »Sie betrachten also dieses Wiederaufnahmeverfahren als Lehrstück?« Er lächelte wohlwollend. »Das ist eine gewaltige Hürde. Weiß Wendel, dass Sie auf diesem Gebiet keine Erfahrung haben?«
    »Ja.«
    »Seien Sie mir nicht böse, Herr Knobel. Aber dann muss ich davon ausgehen, dass Wendel selbst nicht an seinen Erfolg glaubt. Er hatte damals nicht ohne Grund Dr. Trost als Verteidiger gewählt. Wer mit der Nummer eins in den Ring geht, hat entweder genug Geld, sich den Besten leisten zu können,

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