Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
konnten.«
»Das ist doch merkwürdig, oder?«
»Im Ergebnis ist es nichtssagend«, meinte Kreimeyer. »Denn wir wissen nicht, ob die in der Asche gefundenen Bierdosen und die Flasche wirklich von einer Gruppe von Menschen benutzt worden sind, die hier einmal ein Lagerfeuer entfacht und gefeiert haben. Vielleicht haben zwei oder drei von ihnen ausschließlich den Riesling und die anderen nur das Bier getrunken. Oder die Weinflasche hat mit der geselligen Runde von Biertrinkern gar nichts zu tun. Wir wissen das nicht, und wir werden es nie feststellen können. Aber es ist unerheblich. Entscheidend ist allein, dass die Flasche vorher im Ruß der Feuerstelle gelegen hat und der Flaschenboden bereits längere Zeit abgeschlagen sein musste. Dies folgt aus der Anhaftung von Blütenstaub an der Flasche und an der Glasbruchkante, soweit sie bei dem tödlichen Stoß nicht mit dem Blut des Rentners getränkt worden ist.«
Kreimeyer zog die Augenbrauen hoch.
»Zufrieden?«, fragte er rhetorisch.
»Bleibt noch die Frage nach Michelle Crouchford«, sagte Stephan, den Kreimeyers Ausführungen ernüchtert hatten.
»Was soll mit ihr sein?«, fragte Kreimeyer angriffslustig. Er wuchs wieder in seine ursprüngliche Rolle hinein.
»Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass Wendel, von allen als Lüstling und Triebtäter vorverurteilt, im Grunde nur ein verklemmter Typ war, der um Aufmerksamkeit buhlte und durch in der Tat fragwürdige Anmachersprüche auffiel.«
»Der Arme«, entfuhr es Kreimeyer mit gespieltem Bedauern.
»Es könnte sein, dass Michelle Crouchford ihn gezielt verführt hat, um später mittels des vermeintlichen Vergewaltigungsversuchs ein Mordmotiv für Wendel zu konstruieren.«
Kreimeyer blinzelte Stephan an.
»Ich stelle mir gerade vor, Herr Rechtsanwalt, wie Sie durch einen Wald joggen. Zufällig begegnen Sie einer Blondine wie dieser Michelle Crouchford. Selbstverständlich drängt sie sich Ihnen sofort auf und wenige Minuten später verführt sie Sie, und dies, obwohl Sie so verklemmt sind. Welchen Titel sollen wir diesem Märchen geben, Herr Knobel? – Und schließlich: Wer, wenn nicht Wendel, sollte Gossmann aus welchem Motiv getötet haben?«
»Die Crouchford könnte eine Prostituierte gewesen sein«, fuhr Stephan unbeirrt fort. »Angeheuert, um die Rolle zu spielen, die Sie gerade beschrieben haben, Herr Kreimeyer.«
»Dafür gab es keine Anhaltspunkte«, erwiderte Kreimeyer. »Sie war zum damaligen Zeitpunkt bereits mehrere Jahre Studentin in Dortmund, ordnungsgemäß gemeldet und an der Uni eingeschrieben. Es gab in ihrem Umfeld keine Auffälligkeiten. Wir haben damals auch Kommilitonen nach Frau Crouchford befragt. Sie galt allgemein als nicht besonders fleißig und hatte durchaus ein elitäres Bewusstsein. Aber es gab keine Hinweise auf einen Lebenswandel der Crouchford, der ihre Glaubwürdigkeit hätte infrage stellen können.«
»Aber Sie kannten doch Crouchfords frühere Adresse in Leipzig«, erwiderte Stephan. »Ich habe mir das Haus angesehen. Möglicherweise handelt es sich um ein Bordell. Jedenfalls ist es gänzlich unwahrscheinlich, dass Michelle Crouchford dort jemals gewohnt hat. Überdies ist sie offensichtlich untergetaucht. Sie ist nirgendwo gemeldet.«
»Wie kommen Sie darauf, dass Frau Crouchford früher in Leipzig gewohnt hat?«, fragte Kreimeyer irritiert.
»Sie haben mir die Adresse doch selbst genannt«, sagte Trost. »Woher sonst sollte ich diese Adresse kennen?«
Kreimeyer schüttelte heftig den Kopf. »Sie müssen sich irren, Herr Dr. Trost. Von mir haben Sie gewiss nicht die frühere Adresse dieser Frau erfahren. Die Ermittlungsbehörden geben die Adressen von Zeugen grundsätzlich nicht heraus, das wissen Sie doch, Herr Dr. Trost. Frau Crouchford stammt nicht direkt aus Leipzig, sondern aus einem etwa 20 Kilometer von Leipzig entfernten Ort. Es ist ein Örtchen, dem noch der Charme der alten DDR anhaftet. Sie wohnte dort in einer kleinen Wohnung über einem Lebensmittelladen. Auch das haben wir damals überprüft. Eine Adresse direkt in Leipzig war uns nicht bekannt. Die gab es offensichtlich auch nicht. Allein wegen der örtlichen Nähe ihres früheren Wohnortes zu Leipzig wurde schlicht Leipzig angegeben, weil mit dem Namen dieses kleinen Nestes niemand etwas anzufangen wusste.«
»Jetzt bin ich sprachlos«, bekannte Trost.
»Es tut mir leid. Ich kann Ihnen nichts anderes sagen«, bedauerte der Pensionär.
23
»Er irrt sich«, war Trost überzeugt, als sie
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