Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
oder er muss in der Sache alle Register ziehen, weil es eng werden könnte. Ist es nicht so, Herr Dr. Trost?«
Trost schwieg.
»So einfach ist das also«, kommentierte Stephan.
»So ist die Realität«, antwortete Kreimeyer nüchtern. »Ein Angeklagter, der einen erstklassigen Strategen als Verteidiger auswählt, muss befürchten, dass ihm die normale Wahrheit nicht hilft. Er braucht den Winkeladvokaten zum juristischen Seilchenspringen. Ein Freispruch wegen Formfehlern oder ein Freispruch wegen unverwertbarer Beweismittel. So etwas habe ich immer gehasst.«
»Wendel hatte wohl keine Chance«, resümierte Stephan. »Ein Vorsitzender Richter, dessen Voreingenommenheit quasi auf seiner Stirn eingebrannt ist, ein Oberstaatsanwalt, der sich ein Bild von Wendel und der ihm zur Last gelegten Tat gemacht hatte, und ein Verteidiger …« Er verstummte.
»… der, wie wir, keinen vernünftigen Zweifel an der Täterschaft Wendels haben konnte«, vollendete Kreimeyer.
»Deswegen sind wir hier«, griff Trost ein. »Es geht im Wesentlichen um das Tatwerkzeug, also die abgebrochene Glasflasche und die Hauptzeugin, jene Michelle Crouchford.«
»Ja, ich erinnere mich«, sagte Kreimeyer. »Das waren die maßgeblichen Glieder in der Beweiskette.«
»Stand ohne jeden Zweifel fest, dass Wendel diese Flasche in der Hand gehabt hat?«, fragte Stephan.
Kreimeyer seufzte. »Diese Frage ist aus Ihrer Sicht allzu verständlich, aber ich muss Sie enttäuschen, Herr Knobel. Alle kriminaltechnischen Untersuchungen, die man anstellen konnte, sind durchgeführt und mit eindeutigem Ergebnis abgeschlossen worden. Es handelte sich nach unseren Feststellungen um eine Weinflasche, in der getrocknete Reste von Riesling festgestellt wurden. Der Boden der Flasche war abgeschlagen und musste nach unseren Ermittlungen bereits längere Zeit fehlen. Wendel hat seine Fingerabdrücke am Flaschenhals hinterlassen. Ausweislich der eindeutigen Spuren hat er die Flasche von oben gegriffen, sodass er mit der an ihrem Boden abgeschlagenen Flasche in den Hals des Rentners stoßen konnte. Die Wunden am Hals des Opfers passten nach zweifelsfreien Untersuchungsergebnissen exakt zum Muster der Glaskanten an der Flasche. All dies ist nicht nur einmal, sondern mehrmals überprüft worden, Herr Knobel. Wir haben unsere Hausaufgaben wirklich ordnungsgemäß gemacht. Vor diesem Hintergrund ist Wendels schon damals wie gleichsam von einem Wahnsinnigen stoisch wiederholte Behauptung, die Flasche nicht in der Hand gehabt zu haben, abenteuerliche Lyrik. Es waren übrigens der Vorsitzende Richter Froog und ich, die damals darauf gedrungen hatten, die zweifelsfrei von der Kriminaltechnik ausgewerteten Spuren nochmals von einem anderen Institut unabhängig überprüfen zu lassen. Das Gericht und ich begannen ja angesichts des hartnäckigen Bestreiten Wendels, diese Flasche angefasst zu haben, am eigenen Verstand zu zweifeln. Das Ergebnis der zweiten Analyse entsprach dem der ersten.«
»In der Akte steht, dass die Flasche neben der Leiche des Rentners im Gras gefunden wurde. Woher wussten Sie, dass sie sich vorher auf diesem Grillplatz befunden hat?«, fragte Stephan weiter.
Kreimeyer nickte. »Das ist richtig, die Flasche lag nach der Tat im Gras neben der Leiche. Wendel wird die Flasche nach Ausführung der Tat fallen gelassen haben. Wegen des recht hohen Grases ist die Flasche nicht weiter zerstört worden. Bei der kriminaltechnischen Untersuchung haben wir festgestellt, dass an der Flasche Rußpartikel hafteten, die belegen, dass sie zuvor auf dieser Feuerstelle gelegen hat, die Unbekannte einige Meter weiter aus Abbruchsteinen errichtet hatten. Auch das ist durch eingehende Untersuchungen zweifelsfrei erwiesen.«
»In der Akte steht auch, dass sich an oder auf dieser Feuerstelle weiterer Müll befand, unter anderem Bierdosen, aber eben keine weiteren Flaschen. Wie erklären Sie sich das?«, forschte Stephan weiter.
»Sie meinen, dass dort noch weitere Flaschen hätten liegen müssen. Eine einzige Flasche stört im Ensemble lauter Bierdosen. Meinen Sie das?«, fragte Kreimeyer lächelnd.
»Man könnte daran denken«, wandte Stephan ein.
»Ist alles bedacht worden«, schnaufte Kreimeyer zufrieden. »In der Tat fanden wir auf der Flasche neben den Fingerabdrücken Wendels noch etliche andere, die wir nicht identifizieren konnten, jedenfalls aber nicht mit denen identisch waren, die auf den Bierdosen festgestellt wurden, soweit dort noch Spuren gesichert werden
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