Ratgeber Magersucht
dass die Betroffene sich woanders, z. B. bei einem Psychotherapeuten, einer Beratungsstelle, beim Hausarzt, einer Selbsthilfegruppe etc. Hilfe holt.
– Sie sollten sich bei kompetenten Stellen über die Symptomatik, ihre Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten informieren.
– Sie sollten sich nicht tyrannisieren lassen. Zeigen Sie Grenzen auf, bis zu denen Sie bereit sind, die Betroffene zu unterstützen. Benennen Sie Konsequenzen (z.B.bestehen Sie auf einer medizinischen Untersuchung), wenn diese Grenzen überschritten werden, bleiben Sie dann konsequent. Manchmal kann es auch notwendig sein, sich von der Betroffenen zu trennen: Wenn die ganze Familie leidet oder andere Kinder vernachlässigt werden, kann mithilfe der Sozialen Dienste über Alternativen nachgedacht werden (z. B. Pflegefamilie). Denken Sie als Mittel der letzten Wahl bei Lebensgefahr auch an die Möglichkeit einer Zwangseinweisung (vgl. Kapitel 3.3 ).
– Leben Sie Ihr eigenes Leben weiter. Sorgen Sie für sich, holen Sie sich eventuell selbst Hilfe in einer Therapie oder einer Selbsthilfegruppe für Angehörige. Manche Beratungsstellen für Essstörungen bieten solche Selbsthilfegruppen für Angehörige an.
Wenn sich die Betroffene bereits in der Therapie befindet, gibt es für Angehörige vielfältige Möglichkeiten zu helfen. Besonders bei jungen Betroffenen ist das Einbeziehen der Angehörigen in die Behandlung wichtig. In gemeinsamen Therapiegesprächen kann es darum gehen, ein gemeinsames Verständnis der Erkrankung zu entwickeln, Absprachen für Zuhause für den Umgang mit Essen und Gewicht zu treffen, Wünsche für den zukünftigen Umgang miteinander zu äußern, alte Verletzungen zu bewältigen und aktuelle Konflikte zu lösen. Zentral ist, dass Sie versuchen, die übermäßige Kontrolle über das Essverhalten der Magersüchtigen aufzugeben und ihr wieder selbst die Verantwortung für ihr Essverhalten und ihr Gewicht zu überlassen.
3.7 Was kann ich von der Behandlung erwarten?
Da die Problembereiche bei einer Magersucht von Person zu Person sehr unterschiedlich gelagert sind, wird das, was Sie von der Therapie erwarten können, immer auch von Ihrer individuellen Problemstellung abhängig sein. Die Ziele der Behandlung werden Sie individuell mit Ihrem Therapeuten festlegen.
Folgende allgemeine Therapieziele besitzen jedoch für die meisten Betroffenen Gültigkeit:
– Gewichtszunahme und Besserung des körperlichen Befindens und der körperlichen Leistungsfähigkeit, Wiederherstellung von Hunger- und Sättigungsempfinden.
– Akzeptieren der körperlichen Veränderungen, die mit einem höheren Körpergewicht einhergehen, „Aussöhnung“ mit dem eigenen Körper und Körperakzeptanz.
– Normalisierung des Essverhaltens: Sie erlernen wieder, wie ein gesundes Essverhalten aussieht, bauen die Angst vor Nahrungsmitteln ab, erlernen normale Portionsgrößen einzuschätzen und sich regelmäßig und ausgewogen zu ernähren.
– Aufgeben von Heißhungeranfällen und Maßnahmen wie Erbrechen, Abführmitteleinnahme, übermäßigem Treiben von Sport.
– Verständnis für die Entstehung und Aufrechterhaltung der Krankheit entwickeln.
– Entwickeln von Lösungen für Ihre individuelle Problemkonstellation, z. B. Förderung der Gefühlsregulation, Aufbau sozialer Kompetenzen, Förderung des Selbstwerterlebens, Aufbau von Genuss- und Entspannungsfähigkeit und vieles mehr.
Das Erreichen dieser Ziele kann dabei unterschiedlich viel Zeit in Anspruch nehmen. Während es Ihnen z. B. möglicherweise recht rasch gelingt, eine Gewichtszunahme zu erreichen und dieses neue Gewicht zu halten, wird das Akzeptieren der neuen Körperformen und das Anfreunden mit dem neuen Gewicht vermutlich länger dauern.
Die Therapie soll Sie dazu befähigen, sich wieder mit dem Leben auseinanderzusetzen. Das bedeutet einerseits natürlich, sich den Anforderungen des Lebens zu stellen, z. B. im Beruf, in der Partnerschaft, im Freundeskreis und in der Familie. Damit verbunden werden Ängste und Probleme auftauchen, die Sie aushalten und bewältigen müssen. Eine Therapie wird insofern nicht alle Ihre Probleme lösen können – das wäre eine zu hohe Erwartung. Aber Sie werden diese Probleme eher ohne als mit einer Magersucht bewältigen können.
Andererseits geben Sie sich durch das Loslassen der Erkrankung und der damit verbundenen Einengung der Gefühle und Interessen auch die Chance, wieder Freude am Leben zu finden. Manche
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