Ratgeber Parkinson
zu einem bestimmten Grade auch durch die Stimmungslage beeinflussbar. Gut lässt sich das am Zittern erkennen, welches unter jeder Form von Aufregung und Anspannung stärker wird. Das ist sozusagen „normal“. Durch die gestörten neuronalen Regelkreise kommt es zu einer Fehlregulation, so dass die gewünschte Modulation der Bewegungen nicht mehr angemessen auf ganz normale Anforderungen hin abgestimmt werden kann (vgl. Abbildung 2 ).
Abbildung 2: Aufregungen und körperliche Symptome– ein komplexes Zusammenspiel
Problematisch wird dieser Vorgang erst, wenn er vom Betroffenen mit Schreck, Unruhe und Scham beobachtet wird. Nicht wenige versuchen dann, diesen Zustand zu verbergen – was regelmäßig zu einer weiteren Zunahme der störenden Symptome führt. Spätestens dann trachten die meisten danach, sich möglichst wenig auffällig zu verhalten. So suchen sie „kritische Situationen“ gar nicht mehr auf und vermeiden auf diese Weise, sich der Aufmerksamkeit durch andere auszusetzen.
Nachvollziehbarerweise steigert ein solches Verhalten zwar kurzfristig das Wohlbefinden – oder besser gesagt: es verhindert, dass die befürchteten negativen Konsequenzen eintreten („Der ist wohl betrunken!“). Langfristig wirkt sich dieses Verhalten jedoch ausgesprochen ungünstig aus. Wer sich überhaupt nicht mehr unter (fremde) Menschen begibt, der kommt aus dem Training. Er verliert die Kompetenz, mit anderen zu kommunizieren, Argumente oder eigene Anliegen vorzutragen, sich durchzusetzen und belastende Alltagssituationen angemessen zu bewältigen. Die Konsequenz vermeidender Bewältigungsstrategien kann in Vereinsamung bestehen und möglicherweise auch depressive Zustände nach sich ziehen.
Besonders problematisch ist beim Rückzugs- und Vermeidungsverhalten der Umstand, demzufolge mangelndes Training zu einer verstärkten Aufregung vor eben diesen gemiedenen Situationen führt – und mithin die krankheitsbedingten „normalen“ Symptomanstiege nicht nur intensiver, sondern auch häufiger und regelmäßiger auftreten. Ein Teufelskreis ist geschlossen: Menschen geraten durch die Parkinson-Erkrankung situationsbedingt in Zustände, in denen ihre Symptome krankheitsbedingt stärker und sichtbarer werden, dieses ist ihnen unangenehm, sie ziehen sich zurück, und die Kompetenz im Umgang mit derartigen Situationen sinkt, wodurch die Aufregung beim nächsten Mal um so größer ausfällt, die Symptomanstiege sich stärker als sonst darstellen, Unruhe, Unsicherheit und Scham ansteigen etc. – kurzum, die Situation ist für den Betroffenen viel ungünstiger, als es auf Grund der Erkrankung selbst eigentlich sein müsste.
2.3 Die Bedeutung depressiver Stimmungslagen
Zu den häufigen Begleiterscheinungen der Parkinson-Erkrankung gehört die depressive Stimmungslage. Ihr Vorkommen wird mit etwa 40 % angegeben. Dabei handelt es sich aber nur in wenigen Fällen um echte „Depressive Störungen“, wie sie im Bereich der Klinischen Psychologie und Psychiatrie beschrieben und behandelt werden. Solche Syndrome können zwar auch bei Parkinson-Patienten auftreten. Entsprechendes gilt für bestimmte Angstsyndrome. So können beim Parkinson gelegentlich sogenannte „Angstanfälle“ auftreten, die jedoch nach ca. zehn Minuten wieder abklingen („Ruhe bewahren und langsam durch die Nase ausatmen“ hilft). Weitaus häufiger jedoch sind Zustände von Unruhe, Depressivität und Ängstlichkeit, wie sie im Kapitel 3.3 und Kapitel 4 beschrieben werden.
Die psychischen Veränderungen können auf zwei Wegen entstehen. Zum einen können sie eine „Anpassungsreaktion“ darstellen, welche zum Beispiel als Folge des Diagnoseschocks entsteht. Auch in den späteren Phasen der Erkrankung können als Reaktion auf die hinderlichen Begleitumstände der Erkrankung Zustände der Verzagtheit auftreten, die den depressiven Syndromen in mancher Hinsicht ähnlich sind.
Zum anderen kann auch die bereits lange vor der klinischen Diagnosestellung voranschreitende Neurodegeneration zu einer Beeinträchtigung der Fähigkeit führen, Glück und Freude zu empfinden. Das allein ist aber noch kein hinreichendes Zeichen für eine depressive Störung! Hierfür sind zusätzlich für solche Erkrankungen typische Denkmuster erforderlich.
Zu einer ersten Einschätzung der depressiven Stimmungslage kann Arbeitsblatt 1 (vgl. Anhang, Seite 61) herangezogen werden.
Wenn Sie die Fragen 1 bis 10, 12 und 14 überwiegend und klar verneinen (und die Fragen 11, 13 und 15
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