Ratgeber & Regenten 01 - Die Bluthündin
Schlamm und Sand Halt bot und Andris und seine Leute davor bewahrte, im Morast zu versinken.
Dunst stieg aus dem Wasser auf und vermischte sich mit dem ohnehin dichten Nebel. Andris achtete genau auf mögliche Muster. Viele ihrer Gegner waren Geschöpfe, die sich im Nebel verstecken konnten und wie Dryaden mit einem Baumhain eins werden konnten. Vor ihm und zu seiner Linken hing eine besonders dicke Wolke über einem schlafenden Reiher. Der Jordain bemerkte, daß sie weder den Vogel noch das Wasser berührte.
Andris nickte einem der vorausgehenden Späher zu – Quon Lee, ein kleiner, leichter Mann, dessen Haar die Farbe von poliertem Ebenholz hatte und dessen mandelförmige Augen so scharf waren, dass sie einen Schatten fast schon bemerkten, noch bevor er entstanden war. Quon Lee war ein Sklave, der von Piraten aus seinem Heimatland verschleppt worden war. Kiva hatte ihn freigekauft, damit er sich diesem Unternehmen anschließen konnte.
Das war eine andere Sache, über die Andris nicht nachdenken wollte. Der Mann blieb freiwillig bei ihnen, da er darauf aus war, seine Freiheit zurückzuerlangen. Kiva hatte ihm versprochen, daß sie mit ihrer Magie die häßliche Narbe des Sklavenbrandzeichens auf Quon Lees Stirn entfernen würde, sobald der Kampf vorüber war. Andris hätte lieber Männer in die Schlacht geführt, die sich für den Kampf entschieden hatten, nicht solche, die nur mitkamen, weil sie keine andere Wahl hatten.
Er sah, wie der Späher sich von der Gruppe löste und ins Wasser glitt, wobei er sich mit flüssigen, langsamen Bewegungen halb schwimmend, halb kriechend der Wolke näherte und dabei alles unternahm, um so tief wie möglich im Wasser zu bleiben.
Andris nickte in lautloser Zustimmung. Er hätte an diese Vorsichtsmaßnahme nicht gedacht, aber er erkannte sofort die Weisheit, die dahintersteckte. Quon Lee war in den Dschungeln des fernen Ostens geboren und aufgewachsen. Wenn ein Wachgeist in der Wolke auf sie lauerte, würde er auf die Wärme aufmerksam werden, die von einem lebenden Körper ausging, der sich durch die ruhige Morgenluft bewegte. Doch das Wasser war so heiß wie Blut, und es war voller lauernder Geschöpfe und unberechenbarer Strömungen. Das warme, rastlose Wasser würde die Annäherung des Spähers überdecken.
Der plötzliche schrille Ruf des Reihers erschreckte sie alle. Einige der Männer machten einen Satz, aber sie waren alle so gut ausgebildet, daß sie keinen Laut von sich gaben. Der Vogel erhob sich und flog los. Dabei geriet er in den Nebel über ihm und begann zu trudeln. Seine Flügel erstarrten, als seien sie plötzlich gefroren. Wie das Holzspielzeug eines Kindes beschrieb der Vogel eine ungelenke Flugbahn und stürzte ins Wasser. Der Aufprall schien ihn aus der Starre zu lösen, und er begann in Panik zu flattern.
Fast gleichzeitig begann das Wasser rings um ihn zu brodeln. Im nächsten Augenblick umgab den Vogel eine große rote Lache, während hektische silberne Blitze aus dem Wasser kamen und im blutigen Wasser glitzerten.
Andris bedeutete seinen Männer stehenzubleiben. Der Sumpf war mit Heerscharen silberner zierlicher Fische erfüllt, die kaum größer waren als die Hand eines Mannes, die aber besser als jeder Schlachter die Knochen eines Ochsen vom Fleisch befreien konnten. Andris mußte die Männer nicht ermahnen, sich absolut ruhig zu verhalten, bis die hektische Aktivität abgeklungen und die Fische weitergezogen waren, um anderswo nach Beute zu suchen.
Einer der Männer legte eine Hand aufs Herz, um ein Abwehrzeichen zu beschreiben – eine stumme Geste an einen fremden Gott. Auch wenn Andris in dem Glauben großgeworden war, daß es außer Mystra und Azuth keine anderen Gottheiten gab, die es wert waren, verehrt zu werden, hegte er keinen Groll gegen die Einstellung dieses Mannes. Die Jordaini wurden dazu erzogen, die Götter der Magie zu respektieren, aber mit einem erheblichen Abstand. Dennoch vermutete Andris, daß die Männer hinter ihm jeden Gott anriefen, dessen Name ihnen in den Sinn kam. Andris mutmaßte ironisch, daß eine Reise nach Kilmaruu sogar aus Matteo einen gottesfürchtigen Mann gemacht hätte.
Er verwarf rasch den Gedanken an seinen Freund und den Schmerz, der aus der Gewißheit entstand, Matteo nie wiederzusehen. In den Augen seiner Brüder war Andris tot. Wenn er nicht völlig konzentriert blieb, würde aus diesem Irrglauben Wirklichkeit werden. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber nachzudenken, was nach
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