Ratings, Ratings, Ratings (German Edition)
Anführer und dieser wiederum brav dem Tierpfleger hinterher. Die Schlange wurde immer länger. Denn mehr und mehr Pinguine verließen das Becken und reihten sich in Zweierreihen hintereinander typisch englisch ein. Vom großen Meister war mittlerweile von hier nichts mehr zu sehen.
Ich saß auf der kalten Bank, denn der Muskelkater hatte mich heute mal wieder im Griff, doch ich wollte so wenig wie möglich von diesem Spektakel verpassen und reckte und streckte mich. In meinem Kopf kreisten die Ratings weiter, vor meinen Augen stolzierten die Pinguine. Die frische Luft tat zur Zeit wohl nur den Pinguinen gut.
Kein Wunder, dass es mir gerade nicht so gut geht . Roland Berger hatte erst gestern schon wieder angekündigt, er hätte vielleicht bald die 300 Millionen Euro für eine europäische Rating-Agentur zusammen. Was wird dann aus meinem Job? Aus meinen Kollegen? Werden die dann alle für viel Kohle abgeworben? Schon wieder war ich hier nur körperlich anwesend. Denn erfahrene Rating-Analysten wird er definitiv gebrauchen für sein Vorhaben. So langsam driftete ich echt ab. Selbst im Zoo hatte ich nur noch Ratings im Kopf. Und dabei hatte ich vor fünf Jahren nicht mal gewusst, was das ist, ein Rating.
Ein Rating w äre da für mich ein Ranking gewesen und von Produkt- und Unternehmensratings hatte ich da noch gar nichts gehört. Und dass Makler ohne Rating und dem entsprechenden Gütesiegel schwer Versicherungspolicen verkaufen, wusste ich da auch noch nicht.
Kein Wunder, da war ich noch jung und wollte die Welt ohne Versicherungen verändern.
A ls eine kleine Pinguindame auf mich zukam und mich anlächelte, hatte ich endlich alle Sorgen auf dieser Welt vergessen.
Ich blieb einfach sitzen und mit sitzen meine ich auch sitzen. Bis ein Tierpfleger mir mitteilte, dass der Park schließen würde. Das gibt es doch nicht, dachte ich. Und wer hat an der Uhr gedreht, lachte Paulchen Panter auch schon in mir.
„Du kannst ja wiederkommen“, sagte der nette Typ. „Ich bin übrigens Tristan“, schüttelte er mir die Hand.
„Gefällt dir wohl hier bei den Pinguinen“, stellte er fest. Ich hatte ihn dank der ganzen Viecher gar nicht wahrgenommen und merkte erst jetzt, was für eine Sahneschnitte er war.
Er trug trotz der Eiseskälte nur ein grünes T-Shirt, eine blaue Latzhose und eine Mütze. In der Hand hielt er einen leeren Eimer. Ich sprang auf die Füße, klopfte mir die Kälte aus den Beinen und fand auch endlich die Sprache wieder.
„Sarah“, stellte ich mich vor.
„Heißt das, dass du wiederkommst?“, fragte mich Tristan.
„Ja!“, brachte ich heraus. Mehr nicht.
Ich folgte ihm zum Eingang und lernte eine ganz neue Seite an mir kennen. Ich brachte zwar das eine oder andere Wort raus, aber einen ganzen Satz schaffte ich nicht.
Aber di e Freude vertrieb dann langsam auch die Schüchternheit. Trotzdem schwieg ich weitgehend.
A us strategischen Gründen. Denn Männer mochten noch nie Quasselstrippen, damals wie heute und dieses Mal mache ich alles richtig.
Ich, die M ännerkennerin.
Tristan stammte aus Plymouth in Devon und mochte es in London nicht besonders. Immer , wenn er Geld zusammen hatte, ging er wieder auf Reisen. Tier-Safaris waren sein Ding.
Mich faszinierten seine Geschichten aus der Ferne , und das wollte ich auch alles erleben. Mit ihm!
„Das ist bestimmt teuer“, sagte ich, „so einen Urlaub zu machen“, meine ich.
„Geht so. Kommt drauf an, wie du wohnst. Wer in Afrika zeltet, findet sich dort auf Tischen wieder. Wegen der Viecher“, fügte er hinzu.
Eine Zeitlang schwiegen wir beide.
„Das würde ich echt gerne mal machen“, trau te ich mich dann doch zu sagen. „Mit dir“, fügte ich mutiger als mutig hinzu. Warum und woher ich diesen Mut hatte, weiß ich nicht.
Die Zeit blieb stehen. Die Zeit hier im Zoo war ruckzuck vorbei gewesen, jetzt krochen die Sekunden nur so dahin.
Ich kann nicht sagen, wie lange das Schweigen dauerte, aber es fühlte sich trotz Aufregung nicht schlecht an.
„Das geht in Ordnung“, sagte Tristan. „Ostern hab ich frei. Du?“.
Ich weiß nicht, wieso ich nicht laut schreie, springe aber dann immerhin doch in die Luft.
Wie schnell sich das Leben ändern kann.
Kurze Zeit später drängelten wir uns in die wie immer völlig überfüllte Tube. „Tür auf, Leute raus, neue Leute rein“, sagte Tristan. „Immerhin nur zwei Stopps“, sagte er. „Ich mag dieses ewige Hin- und Hergefahre in London überhaupt nicht“, und ich wusste was
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