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Ratings, Ratings, Ratings (German Edition)

Ratings, Ratings, Ratings (German Edition)

Titel: Ratings, Ratings, Ratings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Brocks
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denn hier will und muss jeder zwischendurch mal raus, aber ich stopfte mir heute sogar das Sandwich im Stehen vorm Automaten rein. Danach setzte ich mich wieder an meinen Schreibtisch.
    Mein E-Mail-Kalender erinnerte mich daran, dass es heute Nachmittag ein Meeting geben würde. Einigermaßen vorbereitet war ich immerhin, aber mehr auch nicht.
    Tristan kommt heute immer wieder in meinen Kopf und hatte die Gedanken an Ratings soeben schon wieder übernommen. Was soll ich machen, ich konnte sie halt nicht einfach so abstellen, diese schönen Gedanken.
    Eine halbe Stunde später ging ich dann in den Meeting-Raum. Bellevue war heute gebucht. Ich hätte gerne ein Schild an die Tür gehängt und Christian Wulf angekündigt, aber der war ja zurzeit als Bundespräsident von Deutschland endlich mal beschäftigt. Sein Ruhm hatte es sogar mittlerweile bis nach England geschafft. Es gab Wasser aus kleinen edlen Flaschen, und ich hatte Glück einen Apfelsaft zu ergattern, so ein kleines süßes Fläschchen. Jetzt konnte ich mir das Meeting wenigstens ein bisschen auch ohne Torte versüßen.
    Mac setzte sich ans Tischende, als er reinkam. Er war ja der Chef , wirkte aber angespannt heute und deutete plötzlich auf mich und sagte auch etwas.
    „Wie, was?“, fragte ich ganz verwirrt. „Du kannst heute das Meeting eröffnen“. Er hatte das ganz normal gesagt und ich war mir sicher, dass er mich bald befördern würde.
    Ich sagte „Ok“, wäre aber am liebsten weggerannt. Chris murmelte etwas, und ich ignorierte es, da ich schon wieder nichts verstand. Mein lieber Herr Gesangsverein, dachte ich und zu mehr kamen meine Gehirnwendungen nicht. Mac zeigte auf mich und das Meeting war damit offiziell eröffnet. Ich konnte mich selber hören und bohrte meine Finger tief in meine Oberschenkel.
    Ich sah in die Gesichter der Kollegen und legte los. Im Sitzen. Ich redete über spekulative Anleihen, hoch spekulative und extrem spekulative, die die Substanz des Ratings und damit des Unternehmens gefährdeten. Ratings von B+, B++ und selbst CCC+ nahm ich in meinen Mund. Ich redete über negative Rating-Ausblicke, die bei den meisten Ratings zurzeit den stabilen Beobachtungsstatus abgelöst hatten und damit schon anzeigten, dass die Ratings sich wahrscheinlich in den kommenden Monaten weiter verschlechtern würden. Ich redete davon, dass viele Unternehmen auch ohne die Staatsanleihen noch viel höher als die Staaten, in denen sie ansässig sind, geratet sind. Manchmal bis zu 3. Stufen. Als ich das sagte, konnte ich sehen, wie Mac aufschreckte.
    „Ist das wirklich so?“, fragte er ganz leise?
    „Ja, ist so“, antwortete John klar und laut für mich. Die Antwort kam so schnell wie sie wahr war.
    „Mmh“, murmelte Mac. „Da müssen wir wohl alle durch und all unsere Fälle checken. Das Meeting wird daher vertagt. Wir treffen uns um 17 Uhr hier wieder. Rebecca bucht den Raum, das mach ich gleich mit ihr klar.“
    Mit der Uhr zeit bin ich trotz dieser unerhofften Einsicht nicht wirklich einverstanden, aber kann wohl nicht dagegen machen.
    Ich hatte mich erst wieder für Freitag mit Tristan verabredet, in Person, wegen der lieben Arbeit. Aber ich wusste, dass ich heute seine Stimme am Telefon hören würde, aber das war ja schon mal was.
    Ist halt so hier für mich. Was meinen Tag in der Woche in London bestimmt, sind die Ratings. Sie treiben mich durch die ganze Woche, durch den Monat, durch das ganze Jahr.
    Ich wuchs im Münsterland im eigenen Eigenheim mit Garten auf, einer Kleinstadt mit Kreisstadtstatus. Wenn ich von der Schule nach Hause kam, war meine Mutter schon lange wieder von der Arbeit da, hatte Mittagessen gekocht und mein Vater kam fast immer, wenn ich gerade mit den Hausaufgaben fertig war. Wenn ich heute nach Hause komme, komme ich in eine miese kleine und leere Hütte, nie vor 21 Uhr (und das ist dann früh) und mehr passierte nach so einem Arbeitstag auch nicht mehr.
    Aber jetzt hatte ich ja Tristan , tröstete mich mein müdes Ich.
    Trotzdem hörte die Arbeiterei nicht auf. Und Tristan musste als Tierpfleger morgens schon immer um 4 Uhr raus.
    Die Beziehung hatte trotzdem eine Chance. Denn wir fahren Ostern zusammen in den bezahlten Urlaub. Nach Afrika, als Safari-Guide. Erstmal zur Probe auf Urlaub, wie der Ruhrgebietler sagt. Und solange muss ich auch noch auf meiner jetzigen Arbeit durchhalten. Knappe 9 Wochen, die bestimmt nicht langweilig werden werden. Mir war klar, dass ich besser meine Pläne noch eine Weile

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