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Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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einige Leute besucht.«
    »So?« Der Oberst wartete und fragte dann bissig: »Nur einige Leute besucht?«
    Peter Marlowe antwortete nicht, sondern wartete einfach ab. Dann kam es.
    »Der Amerikaner war ebenfalls im Gefängnis. Waren Sie bei ihm?«
    »Zeitweise. Das verstößt gegen kein Gesetz, Sir. Aber ich habe – gegen die beiden Vorschriften verstoßen.«
    »Welche Torheiten haben Sie beide ausgeheckt?«
    »Keine, Sir.«
    »Sie geben also zu, daß Sie beide von Zeit zu Zeit bei irgendwelchen Schurkereien gemeinschaftlich tätig sind?«
    Peter Marlowe war wütend auf sich selbst, daß er nicht überlegte, bevor er antwortete, obwohl er doch wußte, daß er es hier mit einem Mann zu tun hatte, mit einem feinen Mann, der außerhalb seines eigenen Kreises stand. »Nein, Sir.« Er sah den Obersten voll an. Aber er sagte nichts. Das ist eine Regel: Wenn man vor einem Vorgesetzten steht, dann antwortet man nur mit ›Nein, Sir‹ und ›Jawohl, Sir‹ und sagt die Wahrheit. Es ist eine unumstößliche Regel, daß Offiziere stets die Wahrheit sagen, und hier stand er, wider all sein überkommenes Erbe, wider alles, was er als richtig kannte, und erzählte Lügen und Halbwahrheiten. Das war grundfalsch. Aber war es das tatsächlich?
    Oberst Smedly-Taylor begann jetzt das Spiel, das er schon so oft gespielt hatte. Für ihn war es leicht, mit einem Mann zu spielen und ihn dann abzuschlachten, wenn es ihm gefiel. »Sehen Sie, Marlowe«, sagte er und machte ganz auf väterlich, »mir ist gemeldet worden, daß Sie Umgang mit unerwünschten Elementen haben. Es wäre klug, wenn Sie Ihre Stellung als Offizier und Gentleman berücksichtigen würden. Nehmen wir doch mal den Umgang – mit dem Amerikaner. Er ist Schwarzhändler. Bis jetzt ist er noch nicht gefaßt worden, aber wir wissen es, und deshalb müssen auch Sie es wissen. Ich würde Ihnen raten, diese Verbindung zu beenden. Natürlich kann ich es Ihnen nicht befehlen, aber raten kann ich es Ihnen.«
    Peter Marlowe sagte nichts und blutete innerlich. Der Oberst hatte ja mit seinen Worten völlig recht, und dennoch, der King war doch sein Freund, und sein Freund verpflegte ihn und half nicht nur ihm, sondern auch seiner Einheit, und außerdem war er ein feiner Kerl. Ja, fein war er.
    Peter Marlowe wollte rufen: ›Sie irren sich, es ist mir völlig egal. Ich mag ihn, er ist ein guter Mensch, wir haben viel Spaß miteinander gehabt und viel gelacht‹, und gleichzeitig wollte er die Geschäfte eingestehen, wollte das Dorf eingestehen, wollte den Diamanten eingestehen und wollte das heutige Geschäft eingestehen. Aber Peter Marlowe sah vor seinem geistigen Auge den King hinter Gittern, seiner Größe beraubt. Deshalb wappnete er sich, um sich an einer Beichte zu hindern.
    Smedly-Taylor fiel es leicht, den Aufruhr in dem jungen Mann vor sich wahrzunehmen. Wie leicht hätte er sagen können: ›Warten Sie draußen, Grey‹, und dann: ›Hören Sie mal, mein Junge. Ich verstehe durchaus Ihre Lage. Mein Gott, schließlich habe ich fast so lange, wie ich überhaupt zurückdenken kann, ein Regiment bemuttern müssen. Ich kenne das Problem – Sie wollen Ihren Freund nicht verraten. Das ist lobenswert. Aber Sie sind Berufsoffizier, aus Tradition – denken Sie an Ihre Familie und an die Generationen von Offizieren, die dem Land gedient haben. Denken Sie an sich selbst. Ihre Ehre steht auf dem Spiel. Sie müssen die Wahrheit sagen, so lautet das Gesetz.‹ Und dann hätte er mit einem kleinen, durch Generationen vererbten Seufzer fortfahren können: ›Vergessen wir den Unsinn mit dem Verstoß gegen die Lagerordnung und mit dem Gefängnis. Ich habe es selbst schon getan. Mehrmals. Aber wenn Sie sich mir anvertrauen wollen …‹ Und er würde die Worte mit gerade der richtigen Menge Nachdruck in der Luft hängen lassen, und die Geheimnisse des King würden herauskommen, und der King würde im Lagergefängnis sitzen – aber welchen Zweck hätte das?
    Im Augenblick hatte der Oberst größere Sorgen – die Gewichte. Das konnte zu einer Katastrophe von unermeßlichem Ausmaß werden.
    Oberst Smedly-Taylor wußte, daß er von diesem ihm ganz ausgelieferten Jungen stets jede gewünschte Auskunft erhalten konnte – er kannte seine Pappenheimer ja so gut. Er wußte, daß er ein kluger Kommandeur war – bei Gott, das mußte er nach so langer Zeit ja auch sein –, und die oberste Regel lautete, sich stets die Achtung seiner Offiziere zu bewahren, sie so lange nachsichtig zu

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