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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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Stimme überschlug sich. Er rannte um seinen geliebten Wagen herum und was er sah, ließ ihn vor Wut kochen. Der Kotflügel vorne rechts war halb abgerissen und stand wie eine winkende Hand vom Fahrzeug ab, die Stoßstange fehlte ganz. Hinten hing diese noch an einem seidenen Faden, daneben die verbeulten Reste der Auspuffanlage. Eine einzelne Schelle hielt sie noch am Wagen.
    »Und alles nur wegen dem da und seinem bescheuerten Insudingsda!« Kiefer rannte zur Beifahrertür und riss diese auf. Georg Sattler fiel ihm mit blutender Stirn vor die Füße.
    »Los! Steh auf, Mann!«, brüllte Kiefer, beide Hände in die Seiten ge stützt. Er trat dem Bewusstlosen in den Bauch, dann riss Bubi ihn zur Seite.
    »Komm jetzt, beruhig dich.« Bubi zog Kiefer, der in die lockere Erde trat und Dreck nach Georg Sattler warf, auf die andere Seite des Wagens.
    »Ich soll mich beruhigen?«, brüllte der. »Wegen diesem alten Sack ist jetzt mein Auto ruiniert!« Er schlug mit der Faust aufs Wagendach. Bubi ging zurück zu Georg Sattler.
    Sattler blutete aus einer oberflächlichen Platzwunde an der rechten Schläfe. Bubi drehte Sattler auf den Rücken und kauerte sich neben ihn. Er sah schrecklich aus, wie ein Toter, dachte Bubi. Er war kreidebleich, sogar die Lippen schienen völlig ohne Leben, weiße Striche. Bubi suchte den Puls am Handgelenk Sattlers und war erleichtert, als er unter seinen Fingern das unregelmäßige Echo eines holpernden Herzschlages tastete. »Komm! Er lebt noch! Los, wir müssen ihn ins Krankenhaus bringen!«
    Martin Kiefer kam langsam um das lädierte Heck geschlendert, die Hände in den Hosentaschen. »Ins Krankenhaus.« Seine Augen funkelten. Dann deutete er auf den Graben, den die Boeing gestern Morgen wie einen Strich in die Landschaft gezogen hatte. »Klar doch, wir fahren jetzt ins Krankenhaus.« Er lachte bitter. »Und wie, bitte schön, sollen wir hier rüberkommen? Aber davon mal abgesehen«, er zog Sattlers Uhr aus der Tasche und ließ sie an der langen Goldkette durch die Luft kreisen, »was er uns bezahlt hat, reicht bis hierher und keinen Meter weiter. Sieh dir bloß meinen Wagen an!«, er deutete mit beiden Händen auf den Audi. »Was meinst du, was die Reparatur kostet! Wer glaubst du, wird sie bezahlen?«
    »Aber er muss behandelt werden. Schon wegen seinem Zucker. Er geht drauf, wenn wir nichts unternehmen!«
    »Na wenn schon.« Kiefer spie aus. Dann ging er zu Bubi und nahm ihn plötzlich in den Arm.
    »Jetzt hör mir mal genau zu!« Bubi versuchte sich aus Kiefers Um armung zu lösen, aber der Ältere ließ nicht locker und zog ihn einfach zur Seite.
    »Gestern Abend in der Krone wollte ich dir gerade etwas erzählen, als Sattler sich eingemischt hat. Weißt du noch?«
    Bubi nickte.
    »Ich wollte dir sagen, dass ich nicht daran glaube, dass alles wieder so wird wie früher.« Kiefer musste lachen. Früher klang schon so weit weg und so endgültig. »Ich denke, wir sollten uns auf eine neue Zeit einstellen, mein Freund.«
    »Und was soll das deiner Meinung nach für eine Zeit werden?« Bu bi hatte sich aus Kiefers Umklammerung befreit, trat zwei Schritte zu rück und schielte nach Sattler.
    »Auf jeden Fall keine Zeit für Weicheier. Und auch keine Zeit für kränkelnde Opas«, fügte er mit einem Blick auf Georg Sattler hinzu.
    »Trotzdem müssen wir ihn nach Stühlingen bringen.« Bubis Forderung hatte an Schärfe eingebüßt. Es klang schwach, mehr Alibi denn Vorhaben.
    »Müssen wir nicht. Er wird sowieso sterben. Hast du nicht gehört, was die anderen erzählt haben, wie es überall zugeht, was in Bonndorf los war gestern? Glaubst du wirklich, ausgerechnet das Stühlinger Krankenhaus wurde verschont? Und selbst wenn, Ärzte sind mit Sicherheit nicht mehr da!«
    »Aber es ist doch der alte Sattler. Wir können ihn doch nicht einfach hier sterben lassen.«
    »Und wenn es Christus persönlich wäre – wir können nichts mehr für ihn tun, sieh das doch endlich ein. Sattlers Zeit ist abgelaufen, mein Freund. Aber unsere Zeit, unsere Zeit beginnt gerade erst, Bubi.« Er setzte sich neben seinen Wagen, lehnte mit dem Rücken an der Tür und warf kleine Steine aufs Feld. »Wir vergeuden nur unsere Zeit, wenn wir versuchen, den Alten zu retten.«
    »Und was sollen wir im Dorf sagen? Irgendjemand hat bestimmt gesehen, dass wir Sattler abgeholt haben und dann zusammen weggefahren sind.«
    Kiefer lächelte und warf einen letzten Stein über den Erdwall vor ihnen. »Wir sagen die Wahrheit. Wir

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