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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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kleiner Ausflug nach Stühlingen zum Krankenhaus wert?« Kiefer hatte unaufgefordert am Küchentisch Platz genommen, während Bubi im Türrahmen wartete. Ihm war es sichtlich unangenehm, so mit dem alten Mann umzugehen. Als Kind hatte er oft hier in der dunklen Küche ge sessen und, während die anderen Kinder die Luft aus seinem Fahrrad ließen, Kakao getrunken.
    »Zweihundert Euro?«
    Kiefer stand auf. »Komm Bubi, hier ist nichts zu machen.«
    »Halt! Wartet!« Georg Sattler ging an den Küchenschrank und nahm aus einer Tasse zwei weitere Scheine. Er legte sie zu den anderen.
    »Vierhundert. Mehr habe ich wirklich nicht im Haus.«
    »Und was ist damit?« Kiefer deutete auf die goldene Taschenuhr, die jeder im Ort kannte und mit der der alte Mann geboren zu sein schien. Sattler wollte etwas erwidern, holte aber nur tief Luft und löste die Uhrenkette von seiner Hose. Er strich ein letztes Mal über den goldenen Deckel. Seine Mutter hatte sie seinem Vater geschenkt. Die schöns- te Zeit ist die Zeit mit Dir! stand in verschnörkelten Buchstaben auf der Rückseite, darunter die Initialen seiner Mutter.
    Er legte die Uhr zu dem Geld.
    Kiefer steckte alles ein.
    »Also, dann mal los. Dein Taxi nach Stühlingen wartet nicht ewig.«
    Bubi quetschte sich auf den unbequemen Notsitz des Sportwagens, während Sattler neben Kiefer Platz nahm. Aus alter Gewohnheit griff er nach dem Gurt.
    »Brauchst du heute nicht«, winkte Kiefer ab. »Heute sind keine Bul len unterwegs.« Er gab Gas und die drei fuhren vom Hof.
    Sie verließen das Dorf Richtung Obere Alp, vorbei am Haus von Eugen und Adelheid Nussberger. Vor dem Haus der Geschwister standen zwei Militärfahrzeuge. Die Straße war leer und sie kamen zügig voran. Kiefer hatte vergangene Nacht nur wenig geschlafen. Er hatte am Fenster gestanden und lange die Nacht beobachtet. Trotzdem saß er jetzt aufgeräumt hinter seinem Lederlenkrad, fuhr sicher, wenn auch einen Tick zu schnell, und philosophierte über den vergangenen Tag.
    »Wer auch immer hinter der ganzen Sache steckt«, er machte eine bedeutungsvolle Pause, »ich zieh meinen Hut vor ihm.« Georg Sattler saß in sich zusammengesunken auf dem Beifahrersitz und blickte unbeteiligt auf die Straße. »So von einer Minute auf die andere sämtliche Lichter zu löschen und Hähne abzudrehen – alle Achtung! Und dass die Flugzeuge auch gleich mit runtergekommen sind – ist schon
    ’ne Leistung, so was zu planen. Möchte nur zu gern wissen, wozu das Ganze eigentlich gut sein soll.«
    Bubi, die Arme auf die Rückenlehnen der beiden Sitze vor ihm gestützt, beugte sich zwischen Kiefer und Sattler nach vorn. »Ich ärgere mich nur wegen meiner Bilder.«
    »Du mit deinen Bildern!« Kiefer gab ihm einen freundschaftlichen Klaps mit dem Handrücken und gab Gas. Sie schossen um eine Kurve und Bubi hatte Mühe, seine Position zu halten.
    »Ich befürchte nur, dass, wenn sich nicht alles bald aufklärt und wieder normalisiert, einige von uns mächtige Probleme bekommen werden.« Er sah zu Georg Sattler hinüber, der tat, als habe er nicht zugehört.
    Als sie um die nächste Kurve bogen, war die Straße plötzlich zu Ende! Wo bis gestern noch der glänzende Asphaltstreifen sanft ge-wunden mitten durch einen Golfplatz geführt hatte, war jetzt ein tiefer Graben, rechts und links aufgeworfenes Geröll und Erde. Hundert Meter neben der Straße, mitten im Golfplatz, endete die Schneise an Loch achtzehn im Wrack einer ausgebrannten Boeing.
    »Mist, elender!« Kiefer trat auf die Bremse und riss das Steuer herum. Die Reifen quietschten und der Wagen schoss zur Seite, das Heck brach aus und wollte sich selbst überholen. Kiefer riss den Lenker nach links, dann wieder nach rechts. Bubi klammerte sich an den Vordersitz, während Georg Sattler mit aufgerissenen Augen hin und her geschleudert wurde. Der Wagen sprang über den Straßengraben und landete in einem frisch bestellten Feld. Sie jagten im Tiefflug da hin, Steine und Erde flogen in die Luft und bei jeder kleinen Bodenwelle setzte Kiefers Audi TT auf. Plötzlich röhrte der Wagen heißer und laut. Der komplette Auspuff war einmal. Schließlich kamen sie dreißig Meter neben der Straße zum Stehen.
    »Oh mein Gott!« Kiefer stieß die Tür auf und sprang aus seinem Wagen. Bubi kletterte hinterher und atmete tief durch, als er wieder festen Boden unter den Füßen spürte. Seine Knie zitterten und ihm war speiübel.
    »Das gibt es doch nicht! Sag mir, dass das nicht wahr ist!« Kiefers

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