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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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und zusammen mit dem Kalk würde man das Massengrab einigermaßen sicher anlegen können. Fausts Schädel dröhnte wie ein leeres Ölfass, das man mit einem Vorschlaghammer bearbeitete. Susanne hatte ihn geweckt und, Routine, ein Glas Mineralwasser und zwei Aspirin auf den Küchentisch gelegt.
    »Wo hast du Bubi gelassen?«, fragte Eisele, der Frieders Sohn gestern schon vermisst hatte.
    »Ist schon ziemlich früh zusammen mit Kiefer weg.« Faust musterte die Grube und nickte Eisele schließlich zu.
    »Habt ja ganz schön was geschafft gestern!«
    »Das Schlimmste steht uns noch bevor.« Er dachte an die Leichen und Leichenteile, die noch immer im weiten Umkreis verstreut herumlagen. Ihm graute vor der Aufgabe, sie einzusammeln und schließ lich, wie Abfall, in die vorbereitete Grube zu werfen.
    »Wir müssen uns heute Abend wieder in der Krone treffen.« Auf Fausts Stirn erschien eine senkrechte Falte. »Lydia Albicker hat mir vorhin erzählt, dass sich irgendjemand heute Nacht bei ihr auf dem Hof zu schaffen gemacht hat. Als sie heute früh in den Stall kam, fehlten eine Kanne Milch und zwei Säcke Kartoffeln.«
    Eisele lehnte am Bagger und kratzte sich am Kopf. Die Sonne schien warm auf seine Schultern. Er betrachtete den Finger des Airbusses. Ein Mahnmal.
    »Von uns jemand?«
    »Keine Ahnung. Kann auch jemand aus Bonndorf gewesen sein. Ist sogar wahrscheinlich.«
    Die beiden wurden von Markus Thoma unterbrochen, der gerade aus seinem Wagen stieg. Thoma, Lehrer an der kleinen Grundschule im Ort, unterrichtete die ersten und zweiten Klassen und hatte sich vor sieben Jahren hier ein kleines Haus gebaut. Er war sechsunddreißig und erinnerte jeden, der ihn sah, an ein zu groß geratenes Kind. Klein, fast ohne Bartwuchs und mit einem vor Gesundheit strotzenden, roten, vollen Gesicht weckte er – vor allem in den Müttern seiner Schüler – den Wunsch, ihn zu streicheln und einen Bonbon zu schenken.
    Seine beiden Kinder hatten in der Nacht plötzlich heftige Bauchkrämpfe bekommen.
    »Sie knien abwechselnd vor der Toilette und kotzen sich die Seelen aus dem Leib!« Er sah in den Gesichtern der Umstehenden die Überraschung über seine ungewohnt derbe Wortwahl. »Entschuldigung.«
    Er trat mit rotem Kopf von einem Fuß auf den anderen und berichtete von seinem nächtlichen Versuch, in einer der Bonndorfer Apotheken Medikamente zu bekommen. »Alles leer geräumt.«
    »Hast du eine Ahnung, wo sie das herhaben?«
    Thoma nickte. »Sie haben beide aus unserem Wasserfass hinter dem Haus getrunken.«
    »Geh am besten zu Eva Seger«, schlug Eisele vor. Eva war die Einzige im Dorf, die beruflich etwas mit Medizin zu tun hatte.
    »Eva ist gestern nicht zurückgekommen«, sagte Faust.
    »Sie ist noch in Donaueschingen?«, fragte Thoma. Faust nickte.
    »In Donaueschingen oder irgendwo zwischen dort und hier.«
    »Dann ist die kleine Lea ja ganz allein!«, rief Thoma, der von Hans Segers Schwedenreise wusste. Für einen winzigen Moment traten die eigenen Kinder in den Hintergrund.
    »Lea ist bei uns«, sagte Faust. »Susanne kümmert sich um sie. Zum Glück ist Lea kein Baby mehr, läuft praktisch nebenher.«
    Faust schickte den Lehrer zu Hildegund Teufel. Wenn jemand ein Mittel gegen die Beschwerden der Kinder wüsste, dann die Alte.
    »Das wäre dann der zweite Punkt auf der Tagesordnung heute Abend.«
    Faust blieb am Rand der Grube stehen. Der Bagger rülpste auf Eiseles Zündschlüsselkommando hin zweimal, dann sprang er an und grub seine gezahnte Schaufel in den lehmigen Boden.
    Die zwei Kinder werden nicht die Einzigen bleiben, die abgestandenes Wasser trinken. Wenn nicht bald ein Wunder geschieht, dachte Faust, dann war der gestrige Tag erst der Anfang der Katastrophe. Das eigentliche Desaster stand ihnen allen noch bevor! Trinkwasser, Medikamente, Nahrungsmittel, Diebstähle – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Alles Dinge, um die sich jemand kümmern musste.

36
    07:04 Uhr, Wellendingen
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    Bubi und Martin Kiefer trafen vor Georg Sattlers Haus ein.
    »Na, da wollen wir doch mal schauen, ob der alte Diabetiker noch lebt!«, lachte Kiefer und sprang aus seinem Sportwagen.
    Sattler öffnete die Tür noch bevor sie klopfen konnten. Er wartete bereits seit Sonnenaufgang hinter dem Fenster. Er sah blass aus, seine Hände zitterten und auf seiner Stirn glänzte Schweiß. Er ließ die beiden Männer ein und ging vor ihnen her in die niedrige Küche.
    »Also Georg, hast du dir die Sache überlegt? Was ist dir ein

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