Rattentanz
Hilfsbereitschaft von Martin und Bubi hätte Sattler mit seinem Diabetes erst recht keine Chance gehabt. Und Eugen hätte niemals überlebt!«
»Genau«, sagte Nussberger und fiel in den losbrandenden Beifall ein.
Basler streckte Kiefer und Bubi den nach oben gereckten Daumen hin und zwinkerte ihnen zu. »Wenn das, was ihr zwei für Sattler und Nussberger getan habt, Schule macht, dann haben wir als Gemeinschaft eine Chance.«
Bubi sah zu Boden.
»Er ist genauso bescheiden wie sein Vater«, flüsterte die alte Teufel dem neben ihr sitzenden Pfarrer zu.
»Und was sollen wir dann deiner Meinung nach jetzt tun?«
»Wir brauchen so etwas wie einen eigenen Gemeinderat. Vielleicht vier oder fünf aus unserer Mitte. Die müssen festlegen, wer sich zum Beispiel um die Sicherheit unseres Dorfes kümmern soll und wie vor allem. Denn es kann nicht angehen, dass das Wenige, was wir besitzen, von Bonndorfern oder von Deserteuren oder was weiß ich von wem gestohlen wird! Wir sollten auch schnellstens festlegen, wer bei Albickers im Stall mitarbeitet, denn allein schaffen die das nicht. Milch und Fleisch der Tiere aber brauchen wir alle.«
»Was ist mit denen, die dabei nicht mitmachen wollen, die keine Lust haben, ihre Vorräte zu teilen? Wollt ihr die zwingen?«
»Ich kann mir nicht vorstellen«, antwortete Basler, »dass es hier jemanden gibt, der das, was uns vielleicht noch droht, allein angehen will. Wir wollen bestimmt keinen Zwangskommunismus. Aber, und das ist ein Prinzip jeder funktionierenden Gesellschaft, wenn die Masse we gen eines Einzelnen in Gefahr gerät, muss dieser Einzelne eben zurück stecken. Und nur noch einmal, damit auch jeder weiß, worum es geht: Wir reden hier nicht über einen kleinen Stromausfall. Auch nicht über Wasserknappheit. Wir reden nicht über den Ausfall der Kommu nikationstechnik. Wir reden auch nicht über einen Flugzeugabsturz. Wir reden über alles zusammen. Und es geht dabei um unser aller Überleben! Nussbergers Schicksal muss doch jedem von euch klarma chen, dass es allein nicht geht! Wir sollten jetzt Vorschläge machen, wer in unseren Gemeinderat hinein soll und danach wählen.«
»Was, so schnell schon?«
»Worauf willst du denn noch warten? Wir haben nicht die Zeit für lange Diskussionen und den sogenannten ausführlichen Meinungsfindungsprozess! Wenn es heute Nacht regnet und die Leichen noch nicht beerdigt sind, weißt du, was das für unser Wasser hier bedeutet?«
»Aber was ist mit denen, die jetzt nicht hier sind? Vielleicht sollte von denen auch jemand in den Rat?«
»Kann er ja auch. Aber vielleicht erst in vier Wochen.«
»Wieso vier Wochen?«
»Ich bin der Meinung«, Basler zog sein Jackett aus, »wir sollten den Rat erst einmal nur für vier Wochen bestimmen. Vielleicht ist bis da hin alles wieder in Ordnung. Wenn nicht, haben dann auch diejenigen eine Chance, die heute nicht hier dabei sein konnten.«
»Klingt vernünftig.«
»Eene, meene, muh / und raus bist du! / Raus bist du noch lange nicht, / sag mir erst, wie alt du bist.« Lea tanzte um Assauer herum. Sie hatte auf dem Küchentisch Bubis altes Mensch-ärgere-dich-nichtSpiel aufgebaut. »Jetzt sag doch, wie alt du bist! Bitte«, aber Assauer schwieg. Seine Gesichtszüge wirkten entspannt.
»Bist du dreißig? Ja?« Lea stellte sich vor ihn hin und fuhr mit ihrem Abzählreim fort: »Dreißig ist kein Wort und – du – bist – fort.« Sie griff nach den Würfeln.
Die Funkuhr in der Küche stand auf 7:00 Uhr, obwohl die Batterien noch voll waren.
Lea würfelte abwechselnd für sich und für ihren Mitspieler. »Tja Herr Mittwoch, du hättest mich schlagen können. Jetzt musst du selbst raus.« Damit nahm sie einen seiner Spielsteine und setzte ihn zurück auf den Ausgangspunkt. »Susanne ist unten in der Krone. Ist wohl was gaaanz Wichtiges. Und nur für Erwachsene. Deshalb dürfen wir zwei auch nicht mit. Eigentlich müsste ich in der Schule sein, aber Susanne hat gesagt, dass jetzt erst mal Ferien sind. Schade nur, dass Mama noch arbeiten muss und der Fernseher nicht funktioniert. Aber wenn ich gut auf dich aufpasse, hat sie gesagt, dann darf ich heute Abend meine Räuber-Hotzenplotz-CD in Onkel Frieders Auto anhören! Ich pass doch gut auf dich auf, oder?« Sie würfelte weiter und während ihre Figuren sich allmählich im Zielraum versammel ten, musste sie wieder und wieder – mit großem Bedauern natürlich – eine von Assauers Figuren zurücksetzen. Entweder weil er von ihr geschla gen
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