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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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die Forderung käme auf, den Fremden wegzuschicken.
    Faust schüttelte sich beim Gedanken an das, was danach kommen würde: würde der Rat nicht nachgeben, sondern den Fremden im Ort lassen und weiter miternähren, so wäre es nur eine Frage der Zeit, bis diejenigen, die mit dem Fremden nicht einverstanden waren, offen rebellierten. Schickte man ihn aber fort, so würde die nächste Forderung lauten, die Alten, die ohne eigene Familie hier im Dorf lebten, zu verstoßen. Und die Kranken. Und …
    Er nahm einen tiefen Zug aus der Flasche.
    Was auch immer geschah, alles liefe auf endlose Diskussionen hinaus und auf zwiespältige Entscheidungen. Und überall warteten die immer bereiten Zweifler.
    Faust rutschte auf seinem Stuhl hin und her, wieder hatte ihm jemand wohlwollend auf die Schulter geklopft. Woher kamen all die plötz lichen Sympathien?
    Roland Basler tummelte sich derweil zwischen den Menschen. Eben war er noch im Nebensaal, dann plötzlich draußen vor der Tür, nun wieder hier. Er schien überall zu sein und hinterließ bei jedem, mit dem er einige unverbindliche Worte gewechselt hatte, das Gefühl, gerade mit dem Richtigen gesprochen zu haben. Seine jahrelangen Erfahrungen als Anwalt und Lokalpolitiker kamen ihm zugute, er wusste genau, wie er die Menschen anzupacken hatte, ahnte instinktiv, was jeder von ihnen hören wollte. Wahlkampf im Schnelldurchgang.
    »Wo warst du eigentlich gestern bei unserer ersten Versammlung?«, fragte ihn Faust, als Basler sich an dessen Tisch verirrte. »Kann mich nicht erinnern, dich irgendwo gesehen zu haben. Oben beim Flugzeug auch nicht.«
    »Ich war in meiner Kanzlei«, antwortete der, einen Tick zu schnell, wie Faust fand. Aber bevor dieser nachfassen konnte, war Basler schon wieder aufgestanden. »Wir sehen uns.« Er klopfte auf den Tisch.
    »Vielleicht im Gemeinderat?«, und mit seinem allgegenwärtigen Lächeln stürzte er sich in den nächsten Smalltalk.
    Schließlich waren Stifte und die Zettel, die zur Stimmabgabe dienen sollten, verteilt.
    »Aus wie vielen Personen soll der Gemeinderat bestehen?« Als wäre es die normalste Sache der Welt, war Balser erneut auf den Tisch gestiegen und ergriff das Wort. Er sah in die Runde und, außer Faust, gab es offensichtlich niemanden, der an Baslers Selbstverständnis Anstoß nahm. Aber mussten in einer Demokratie nicht Menschen in der ersten Reihe stehen, denen Selbstdarstellung und Diskussionen Befriedigung verschafften?
    »Fünf klingt doch gut, oder?« Der Vorschlag kam von Andreas Albicker.
    »Auf jeden Fall eine ungerade Zahl.«
    »Warum nicht neun? Dann sind auch mehr Familien vertreten.«
    »Aber je mehr Personen in unserem Rat sind, desto schwieriger dürfte es sein, Entscheidungen zu fällen.«
    »Ich finde Andreas’ Vorschlag gut. Fünf ist nicht zu viel und nicht zu wenig.« Bardo Schwab setzte sich schnell wieder.
    »Soll der Rat seine Entscheidungen einstimmig oder mit einfacher Mehrheit fällen?«, fragte Christoph Eisele in die Runde.
    »Das wird der Rat dann intern entscheiden«, erwiderte Basler.
    »Und was ist mit den Frauen?« Isabell Dörflinger-Perucci erhob sich und sofort wurde es ruhig im Saal. Wenn die Perucci, wie die zwei undsechzigjährige Schweizerin nur genannt wurde, etwas zu sa gen hatte, war es zum einen wegen ihres schwer verständlichen Dialektes, zum anderen wegen dem, was sie von sich gab, immer angeraten, still zu sein. Denn keiner wollte den Grund der Lacher, die mit Sicherheit gleich folgen würden, versäumen. »Ich fordere eine Frauenquote von mindestens fünfzig Prozent! Und dass die in Wellendingen lebenden Ausländer gleichberechtigt im Gemeinderat vertreten sind!« Außer ihr gab es noch zwei weitere Schweizer, die wie die selbsternannte Künstlerin (sie malte grässliche Ölbilder) im Dorf ein kleines Haus als Altersruhesitz erworben hatten.
    »Das hieße dann«, rechnete Berthold Winterhalder hinter dem Tresen vor, »dass von den fünf Gemeinderatsmitgliedern Ihrer Meinung nach drei weiblich sein sollten?«
    Die Perucci nickte begeistert.
    »Plus einem Schweizer. Heißt: es gibt noch einen Platz frei zu vergeben.« Er schüttelte den Kopf.
    »Darf ich also festhalten, dass wir fünf Personen wählen?«
    Zustimmendes Gemurmel aus dem Saal. Basler nickte Anne Gehringer zu, sie saß an einem Tisch neben ihm. Sofort notierte sie den Beschluss. Offensichtlich hatte Basler sie kurzerhand zur Schriftführerin ernannt.
    »Dann schlage ich vor, dass jeder von uns einen – und bitte

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