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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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jetzt die Medikamente. Sollte es nicht um Assauer, Thomas und Beck gehen?
    Sie zuckte als Antwort auf Baslers Frage nur mit den Schultern. »Alles Mögliche«, sagte sie.
    »Männer, mein Kind«, mischte sich Hildegund Teufel ein und brachte Basler, der sie schon unterbrechen wollte, mit einem einzigen Blick zum Schweigen. »Männer denken immer nur von A nach B und verlieren so leicht den Überblick.« Sie wurde von einem kurzen Hustenanfall unterbrochen. »Männer übersehen gern, was nicht offensichtlich auf der Hand liegt. Bei euch zum Beispiel sehen sie zuerst nur drei weitere Menschen, die essen wollen, ohne selbst etwas Essbares zu besitzen.«
    »Wir haben noch ein paar Kleinigkeiten«, sagte Eva. Der Sack mit den Vorräten aus der Krankenhausküche war noch halb voll.
    »Genau. Kleinigkeiten. Jedem hier ist klar, dass diese nicht lange reichen werden. Sie müssen beide arbeiten, wenn sie bleiben.«
    »Wenn wir bleiben wollen«, sagte Assauer.
    »Wenn ich an Joachim Beck denke«, Pfarrer Kühne erhob sich, während er sprach, als Einziger von seinem Stuhl, »wird Ihr Wollen nicht so entscheidend sein. Gott allein weiß, ob und wann er wieder auf die Beine kommt.«
    Wahrscheinlich nie wieder, dachte Eva. Sie betrachtete Thomas, der sich hinter seiner Aktentasche buchstäblich vor den Blicken der vielen fremden Menschen verbarg. Eva wusste, dass Becks Zeit ablief. Die Wunden, die Fuchs ihm zugefügt hatte, waren viel zu schwerwiegend, als dass sie ohne eine Operation Chancen auf Heilung hatten. Wie aber sollte Thomas ohne den Polizisten weiterziehen können? Hätte Beck überhaupt weitergewollt? Auf ihrer Wanderung hierher hatte diese Frage nie eine Rolle gespielt. Eva wusste nichts von Becks Plänen. Und Thomas wusste wahrscheinlich nicht einmal, dass das Wort Pläne existierte. Sie fühlte sich für Thomas und Beck verantwortlich.
    »Sie sollten bleiben. Die Frage ist nur, was Sie beide«, Faust nickte Assauer und Thomas zu, »bereit sind, für Ihre Unterbringung und Verpflegung als Gegenleistung anzubieten.« Faust sprach schnell. Er wusste, dass Basler mit seinem Vorhaben, Thomas Bachmann und Eck ard Assauer weiterzuschicken und möglichst auch Kontrolle über Evas Medikamente zu erhalten, allein dastand im Rat. Er wusste aber auch, dass Baslers rhetorische Fähigkeiten und seine Gerissenheit eine Menschengruppe leicht dazu bringen konnte, eine Meinung zu vertreten, die deren eigentlichen Idealen zuwiderlief. Wenn es darum ging, einen Plan durchzusetzen, konnte Faust in diesen beiden Punkten seinem Gegenüber nicht das Wasser reichen. In spätestens einer Stunde hätte vielleicht sogar Pfarrer Kühne geglaubt, dass es für Assauer und Thomas die beste Lösung wäre, umgehend weiterzureisen. Deshalb Fausts Eile. Um den Männern eine faire Chance zu verschaffen, und weil er sich in gewisser Weise für Assauer verantwortlich fühlte, musste er Basler überrumpeln und das war ihm soeben gelungen. Basler sah mit offenem Mund zu Faust, dann zur Hausherrin.
    »Wie eure Medikamente am besten anzuwenden und zu dosieren sind, weißt du sicher am besten. Ich selbst wäre gern bereit, dir ein paar Kartoffeln oder einen Bund Radieschen aus meinem Garten zu geben, wenn du etwas dabei hättest, das mir die Schmerzen in der Schulter ein wenig lindert. Rheuma«, meinte Hildegund Teufel mit einem resignierten Lächeln.
    »Sie beide könnten bei Lydia und Andreas Albicker im Stall helfen«, schlug Bea Baumgärtner an Thomas und Assauer gewandt vor. Thomas zuckte zusammen. Die Frau hatte ihn angesprochen! Ihn angesehen!
    Nie und nimmer bekommt ihr mich in einen Kuhstall, tönte Nummer zwei. Alles ist dreckig und stinkt und die Viecher könnten uns bei- ßen oder nach uns treten! Nein, nein, daraus wird nichts.
    Nummer eins hingegen erinnerte sich an den Stallgeruch aus Thomas’ Kindheit, erinnerte sich an die Zeit, als beide noch allein waren, zusammen bei Thomas’ Großmutter und den Tieren hinter dem Haus.
    »Lydia braucht dringend jemanden, der im Stall hilft. Außerdem will sie einen Teil der Tiere auf die Weiden bringen, wo jemand auf sie aufpassen müsste. Die Batterien für die Elektrozäune halten nicht ewig.«
    Dann könnten wir den ganzen Tag im Freien verbringen. Nur wir und ein paar Kühe und Himmel, Erde, Gräser, Insekten und Freiheit. Für Nummer eins klang Beas Vorschlag verlockend. Außerdem wäre es das erste Mal, dass Thomas für eine Arbeit entlohnt würde, dass er selbst für seinen Unterhalt sorgen

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