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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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Flaum abrasierte, ein alter Tatterkreis geworden, der nachts stündlich aufs Klo wackelt und dabei seine Prostata verflucht. Haben Sie Träume?«
    »Im Augenblick sind Eva und Lea alles, woran ich denken kann. Und wie ich zu ihnen komme. Alles andere ist unwichtig.« Er musste an den kleinen Jungen und Tina denken.
    »Ich beneide Sie um Ihre Familie. Ich wäre froh, es gäbe einen Menschen, den ich so lieben könnte wie Sie Ihre Frau und die Kleine.«
    »Und was ist das für ein Traum, der Sie von Ihrem See weggelockt hat?«
    Malow zog ein dünnes Buch aus seinem Rucksack und reichte es Hans.
    »Rom?«
    »Mein Traum.«
    »Sie wollen allen Ernstes nach Rom? Quer durch halb Europa? Jetzt?« Hans konnte es nicht fassen. Er suchte bei Malow nach Zeichen beginnenden Wahnsinns, vielleicht Altersdemenz. Wie verrückt musste man sein, um freiwillig diese Reise auf sich zu nehmen, jetzt, während dieser Katastrophe?
    »Keine Angst, ich bin nicht verrückt.« Malow schien Hans die Gedanken im Gesicht abzulesen. »Na ja, ein bisschen vielleicht schon, aber bestimmt nicht mehr als jeder andere. Es ist nur, dass ich nieman den habe, der mich vermisst, sollte mir jemand wegen eines Apfels den grauen Schädel einschlagen. Ich habe nichts zu verlieren. Wer weiß, wie die Welt in einem Jahr aussieht, ob es dann noch möglich ist, herumzureisen. Und jünger werde ich auch nicht, verstehen Sie? Also bin ich losgezogen und erfülle mir meinen uralten Traum, bevor es zu spät dazu ist.«
    Hans gab das Büchlein zurück. Malow betrachtete es mit glänzenden Augen, steckte es zum Schutz gegen die Nässe in eine Plastiktüte und zurück in den Rucksack. Dann setzte er sich wieder auf und nahm das Ruder.
    »Wir sollten weitermachen, sonst kommen Sie nie zu Ihrer Familie.«
    »Und Sie nicht nach Rom.«
    Sie ruderten einige Minuten.
    »Dann haben wir bis zu mir den gleichen Weg«, sagte Hans. »Es sei denn, Sie wollen durch Österreich und so die Alpen umgehen.«
    »Darüber hab ich mir noch keine Gedanken gemacht«, meinte Malow. »Wir werden sehen, wo es uns hin verschlägt. Aber ich hätte nichts dagegen, wenn wir noch eine Weile den gleichen Weg hätten.« Hans Seger gefiel ihm. Er konnte anpacken und redete nicht zu viel.
    Sie erreichten Rügen am übernächsten Abend. Die schneeweißen Kreidefelsen der Insel tauchten gegen Mittag am Horizont auf. Plötzlich waren sie da und die Möwe, die offensichtlich ebenfalls nichts zurück nach Schweden zog, flog davon.
    Eine Stunde später, sie hatten sich der Insel inzwischen so weit genähert, dass sie Einzelheiten am Strand ausmachen konnten, kam der Vogel zurück – ein sprachloser Späher.
    Am 31. Mai betraten Hans Seger und Henning Malow deutschen Boden. Sie landeten in der Nähe von Bakenberg, einem kleinen Dorf nur einen Steinwurf weit weg vom Strand. Für die achtzig Kilometer von Trelleborg bis Bakenberg hatten sie sechsundsiebzig Stunden benötigt. Sie zogen das Floß ans Ufer und versteckten sich im nahen Wald.

82
    31. Mai, 16:17 Uhr deutscher Zeit in der Wildnis Kanadas
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    Shayna Walker hatte sich nicht entscheiden können zu gehen. Sie blieb selbst noch, als ihre Kollegen einer nach dem anderen das Büro verlassen hatten.
    Sie hatte vor zwei Jahren ihrer schottischen Heimat den Rücken ge kehrt – abgeworben von der kanadischen Regierung. Vom kanadi-schen Geheimdienst, um exakt zu sein. Die Regierung wusste wahrscheinlich nicht einmal, dass sie und ihr Projekt existierten. Die Siebenundzwanzigjährige war nur ein kleines Zahnrad, allerdings nicht das unwichtigste. Das Große und Ganze des Projekts blieb aber auch ihr verborgen. Geheimdienste eben. Aber sie wusste nur zu gut, welcher Auftrag sie, Louis und Jean-Pierre hier in den kanadischen Wäldern zusammengeführt hatte.
    Schon zwei Jahre verbrachten sie damit, Zugang zu den geheimen Datenbanken dieser Welt zu bekommen. Alles via Internet. Wie Mitglieder aller anderen Geheimdienste dieses Planeten auch. Schon verrückt, was alles möglich war – man brauchte nur Geduld, das nötige Equipment (Computer und verschlüsselter Internetanschluss) und ei nen Tick gesunden Menschenverstand und die Welt öffnete ihre Pforten und präsentierte über kurz oder lang sämtliche Heimlichkeiten auf einem Tablett aus Nullen und Einsen. Shayna und ihr Team waren gut. »Die Enthüller« wurde ihr dreiköpfiges Team genannt. CIA, MI6, Russlands FSB, Mossad – niemand war vor ihnen sicher.
    Das Notstromaggregat würde wohl noch Wochen

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