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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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funktionieren. Diesel war jedenfalls genug da. In drei unterirdischen Tanks lagerten annähernd eine Million Liter Treibstoff. »Um handlungsfähig bleiben zu können«, so die Erklärung. »Handlungsfähig, auch in Krisenzeiten.«
    Im ganzen Komplex, der von einem vier Meter hohen Stahlzaun ge sichert wurde, hatte Shayna nicht einen funktionierenden Computer gefunden. Hatten die ausländischen Geheimdienste zurückgeschlagen und in der Datenflut, die sie ihnen täglich stahlen, einen Virus versteckt? Gut möglich. Schließlich waren sie nicht die Einzigen, die etwas von Computern und Internet und Viren verstanden. Irgendwann erinnerte sich Shayna an ihr altes Laptop. Es war jetzt achtzehn Monate her, dass sie es zuletzt benutzt hatte. Wozu auch – was ihr der Geheimdienst hier in die kanadische Provinz gestellt hatte, war jeder zeit das Neueste vom Neuen. Und das alte Laptop landete tief unten in ihrem Schreibtisch.
    Problemlos war es wieder angesprungen, funktionierte tadellos. Und war doch vollkommen unnütz!
    Das World Wide Web existierte nicht mehr. Kommunikation mit ihren Vorgesetzten in Ottawa und Toronto – Fehlanzeige. Sie saß auf einer grünen Insel in der Wildnis, mit Strom und einem Laptop – und das Einzige, was sie tun konnte, war eine Runde Solitär nach der anderen zu spielen.
    Sie und Louis hielten es am längsten aus. Sie versuchten die anderen Computer neu zu starten und eine Verbindung zur Außenwelt her zustellen, aber ohne den geringsten Erfolg.
    »Komm Louis, es hat keinen Zweck«, sagte Shayna. »Sehen wir lieber, dass wir die nächste Stadt erreichen. Von da aus rufen wir in Ottawa an. Sollen die sich doch um den Schrott hier kümmern.«
    Karim Al-Tabari raste mit einer vollgetankten NAC 6 Fieldmaster und einem »Allah’u akbar« auf den Lippen überglücklich in den achtzehnten Stock des Empire State Buildings in New York. Zur selben Zeit verließen einige Hundert Meilen nördlich Shayna Walker und Louis ihre Station.
    Nur Karim Al-Tabari und die restlichen drei Mitglieder der Organisation »Einzig wahrhaftige Gotteskrieger Amerikas« erkannten Gottes Fingerzeig! Die Zeit war gekommen, die Zeit, all die Ungläubigen und ihren Schmutz von dieser heiligen Erde zu tilgen. Allah hat te in seiner unendlichen Weisheit und Güte den Heiligtümern der Ungläubigen die Pulsadern geöffnet. Langsam blutete das Ungeheuer Amerika aus!
    Allah’u akbar.
    Die nur elf Meter lange NAC 6 Fieldmaster, ein nicht mehr ganz neues Agrarflugzeug, war so ziemlich die einzige Maschine auf dem kleinen Privatflugplatz, die ohne Computerunterstützung auskam. Und die Einzige, die problemlos startete. Vollgetankt stand sie in einem der seitlichen Hangars – der Allmächtige dachte an alles.
    Al-Tabari raste in den fast leeren Bürokomplex ohne allzu große Schäden anzurichten, von der angestrebten Zerstörung des über vierhundert Meter hohen Gebäudes ganz zu schweigen. Der Märtyrer Al-Tabari bekam aber wohl dennoch seinen Platz im Paradies einschließlich der versprochenen Jungfrauen, denn der von ihm ausgelöste kleine Brand sollte sich in den kommenden Tagen durch das komplette Gebäude fressen und es so schließlich doch noch zum Einsturz bringen.
    Allah’u akbar.

83
    22:42 Uhr, Wellendingen
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    »Und jetzt schlaf, Liebling. Es ist schon ganz schön spät.« Eva Seger drückte ihrer Tochter einen letzten Kuss auf die Wange und deckte sie bis unter die Nasenspitze zu. Joachim Beck war vor drei Tagen gestor ben. Seitdem hatte sie endlich wieder genügend Zeit für ihre Tochter. Und Zeit zum Nachdenken. Vor allem nachts standen die Gedanken und Sorgen scheinbar Schlange und wollten alle von ihr empfangen werden. Lea durfte auch diese Nacht wieder im breiten Bett der Eltern schlafen. Eva schlug die Bettdecke rechts und links straff unter Leas Kopfkissen.
    »Mama! Das ist doch viel zu warm!« Lea strampelte sich wieder frei. »Glaubst du, Papa wird sich über mein Bild freuen, wenn er wieder zurück ist?« Lea hatte am Nachmittag ihr Dorf gemalt, mit leuchtenden Wasserfarben und, auf dem Berg dahinter, ein schwarzes Flugzeugwrack. In der rechten oberen Ecke lachte die Sonne und sie trug eine dunkle Sonnenbrille! (Papa: Wann braucht eine Sonne eine Sonnenbrille? Lea: Wenn sie in den Spiegel schaut!)
    »Bestimmt freut er sich. Gute Nacht.« Eva nahm die Taschenlampe und ging zur Tür.
    »Ich glaub, ich hab Angst, Mama.«
    »Vor was denn, Liebling?«
    »Es ist so finster! Lässt du die Tür

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