Rattentanz
hielt sich die rechte Wange. Der Schlag brannte wie Feuer. Bubi leuchtete Fuchs direkt ins Gesicht. Er sagte kein Wort und überließ Assauer das Sprechen. Noch durfte niemand erkennen, dass er und Fuchs unter einer Decke steckten. Erst musste das Kind in Sicherheit sein.
Als habe Fuchs Bubis Gedanken erraten, packte er Lea plötzlich an den Haaren, zerrte sie auf die Beine und stellte sich hinter sie. Er finger te ein Messer aus seiner Tasche und hielt es der Kleinen an den Hals.
»Noch einen Schritt«, sagte er, »und ich stech’ zu. Habt ihr mich verstanden? Ich stech’ wirklich zu! Ich mach den Balg fertig und die Alte gleich noch mit.« Seine Blicke hetzten umher, aber der grelle Strahl aus Bubis Lampe machte ihn praktisch blind.
Bubi überlegte. Er könnte Assauer den Gewehrkolben in den Bauch schlagen, Thomas bedeutete keine Gefahr. Und anschließend könnte er gemeinsam mit Fuchs die Beute zu Kiefer aufs Hardt bringen. Aber Fuchs war nicht zu trauen. Erst die einsame Entführung und jetzt das noch!
»Lassen Sie die Kleine los«, sagte Assauer. Er trat aus der schützen den Dunkelheit und ging auf Hermann Fuchs zu.
»Weg! Mach dich weg!«, kreischte der. Seine Stimme überschlug sich. Fuchs hatte Angst und die Angst verwandelte ihn in ein keifendes Weib mit schriller Stimme. Jetzt hatte er richtig Angst. Er hatte Angst vor den Personen, die ihn und seinen Schatz bedrohten und er hatte Angst vor Martin Kiefer. Denn sollte diese Sache jetzt und hier schiefgehen, war er praktisch schon tot. Und sein Geld endgültig verloren. Er suchte nach einem Ausweg, aber hinter ihm befanden sich nur die Grundmauern des Stalles mit seinem jetzt nutzlosen Versteck, vor sich der ebenso nutzlose Fuhrpark Albickers und die Menschen, die ihn wie ein Stück Wild in die Enge getrieben hatten. Aber ein Hermann Fuchs gab nicht auf, niemals und schon gar nicht so dicht vor dem Ziel! In Donaueschingen, mit Ritter und dem schon fast vergessenen Türkenbengel, hatte er nicht aufgegeben, ebenso wenig während der Wanderung hierher in dieses gottverfluchte Dorf. Da lag das Pfand für ein besseres Leben. Ihn würde er gegen sein Geld und einen Platz in Kiefers Truppe eintauschen. Nein, dachte Fuchs, ein Fuchs gibt nicht auf.
Bubi entsicherte sein Gewehr, der Lichtstrahl seiner Lampe zitterte.
»Lass das!«, schrie Fuchs. Noch hatte er Bubi nicht erkannt. »Ich mach ernst, auch wenn du auf einem Panzer sitzt! Wenn ihr mich wollt, müsst ihr leider auf das Kind verzichten!«
Thomas stand schräg oberhalb dieser Szenerie und hörte jedes Wort. Noch immer verharrte er im Torrahmen, unfähig zu einer Bewegung, von einem klaren Gedanken ganz zu schweigen. In ihm tobte ein Kampf aus Worten und Gedankenfetzen.
Es ist aus. Endlich ist alles vorbei. Wir werden kleine schwarze Flü- gelein bekommen und munter durch die Hölle flattern … Nicht, bevor wir in Paris waren!!
Paris ist blöd! Paris ist blöd, Paris ist … Es war noch ein kleiner Rest Melissentee in der Kanne, noch ein letzter Rest Hoffnung.
Pah, Hoffnung, sagte seine dritte Stimme abfällig. Wo bitteschön, wo haben wir denn unseren leckeren Tee her? He? Vom Teufelchen und seinem fauligen Großmütterchen! Und so, wie an ihr bereits die ersten gierigen Maden und Würmer schnuppern, werden wir selbst bald recy celt. Erde zu Erde und Asche zu Asche, zelebrierte Nummer drei feierlich, wir fahren mit leeren Augenhöhlen hinab in ein besseres Jenseits. Und wir werden mit des Teufels Großmutter an einer feierlich bren- nenden Tafel Platz nehmen und mit ihr literweise Melissentee saufen! Hihihi. Jaaa, das werden wir, werden wir! Bloß, dass die Alte etwas merk würdig aussehen wird, so ganz ohne Haare. Wir haben sie ihr alle aus gerissen! Eins nach dem anderen! Zack und raus, zack und raus, zack … Thomas spürte die Dose in der Hand. Sollte jetzt bereits der Zeitpunkt gekommen sein, sie einzusetzen? Um Lea zu beschützen hatte er die Haare genommen. Und Lea war in Gefahr. Da unten kauerte sie und weinte. Hermann Fuchs drückte eine Klinge an ihren Hals. Engel dürfen nicht sterben!
Können wir das verstehen?, fragte Nummer eins. Vielleicht bedeu- tet es etwas, wenn Teufel und Engel am selben Tag sterben, wer weiß das schon.
Und ob das was bedeutet!
Vielleicht ist es aber auch eine Prüfung.
Ich hasse Prüfungen, beschwerte sich Nummer zwei. Ohne zu wissen warum, hob Thomas die Hand und schleuderte die Dose in Leas Richtung. Er verfehlte Lea und Fuchs deutlich. Das winzige
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