Rattentanz
Kampf mit Malow die Arbeit von zwei Tagen annähernd zerstört. Aber was solls, dachte sich der Glücklichste Mann der Welt, dafür gab es drei neue Opfergaben. Vier, um genau zu sein, das Kind hatte schließlich ebenfalls Ohren. Klein, aber fein. Und der Glücklichste Mann der Welt hatte alle Zeit der Welt. Der Schwarze ließ sich von ihm problemlos einfangen. Der Glücklichste Mann der Welt nahm ihm den Schlitten ab. »Den brauchst du nicht mehr zu schleppen, mein Lieber«, sagte er und streichelte das Tier. »Mutter Natur will nicht, dass du für Menschen arbeitest. Oder willst du das etwa?« Er hielt sein Ohr dem Schwarzen ans Maul und lauschte. Das Pferd schnaubte und versuchte, den Kopf abzuwenden, aber der Glücklichste Mann der Welt drehte dessen Kopf immer wieder zurück an sein Ohr. »Dachte ich’s mir doch! Sie haben mich belogen! Von wegen, du hättest es ihnen gesagt. Nichts hast du gesagt. Sprichst ja nicht einmal mit mir.« Er führte den Schwarzen zum Waldrand und band ihn fest. Danach wandte er sich den Resten des kleinen Feuers am Strand zu. Er bückte sich und pustete in die von Malow ausgetretene Glut, legte frische Zweige nach. Bald prasselte ein fröhliches Feuer. Der Glücklichste Mann der Welt lachte – es war ein wirklich guter Tag. Mutter Natur sah nach ihrem Jünger, kümmerte sich um ihn und versorgte ihn mit Intelligenz und sicheren Händen und allem, was er zum Leben brauchte.
Er ging wieder zu dem Pferd, eine Hand hinter seinem Rücken, als verberge er etwas vor dem Tier. Er tätschelte dessen Hals und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Dann stieß er dem Schwarzen eine breite Klinge in den Hals.
Noch am selben Abend zerlegte der Glücklichste Mann der Welt das Tier, unsachgemäß, eben wie ein Friseur. Hans, Silvia und Malow hatte er jeweils an einen anderen Baum gefesselt. Danach kümmerte er sich um das Tier. Der dilettantische Eifer, den er dabei an den Tag legte, wurde nur noch von seiner Vorfreude übertroffen. Er freute sich auf das Fleisch, freute sich auf den Moment, an dem er die Zündschnüre entzündete, freute sich auf die Befreiung des Wassers!
Er briet ein großes Stück Fleisch und steckte jedem seiner Gefangenen etwas davon in den Mund. Dabei konnten sie sehen, dass inzwischen auch ein Ohr des Schwarzen an seinem Hals baumelte. Mit ihnen hatte er sich diesbezüglich noch nicht beschäftigt. Danach schnitt er das restliche Fleisch in dünne Streifen, spießte es auf Stöcke und hielt es zum Räuchern über das Feuer. Die unteren Fleischstücke verbrannten dabei und die oberen blieben annähernd roh. Irgendwann gegen Morgen schleppte er das Fleisch in den Wald und vergrub es. Danach zog er sich auf seine Mauer zurück und schlief dort ein.
Kurz nach drei fuhr Silvia aus dem Schlaf. Es war stockfinster und im Erwachen hörte sie etwas scharren und grunzen. Im ersten Augenblick wusste sie noch nicht, ob dies die letzten Fetzen ihres Traumes waren oder bereits die ersten Puzzleteile der Realität, die noch unsortiert durch Silvias Bewusstsein stolperten. Silvia hatte von der Kiesgrube geträumt, aber diesmal war es Larissa, die unter dem einstürzenden Schrotthaufen vergraben lag. Weder Hans noch Malow hatte es in ihrem Traum gegeben, nur sie und das Wimmern ihres Kindes. Larissa von den tonnenschweren Teilen zu befreien war unmöglich und in ihrem Traum stand sie gerade vor der Entscheidung, Larissa ihrem Schicksal zu überlassen oder ihr unausweichliches Ende zu beschleunigen, als sie geweckt wurde. Sie versuchte, ihre Arme zu bewegen und aufzustehen. Als sie sich an ihre Fesseln und den Ort, an dem sie sich befand, erinnern konnte, war sie wieder im Jetzt. Und mit ihr diese Geräusche.
Im Wald hinter ihr saß ein Ungeheuer!
Silvia versuchte, ruhig zu atmen und eine vernünftige Erklärung für das, was sie hörte, zu finden – aber es gelang ihr nicht. Das gewaltige Schnauben passte zu keiner Erinnerung. Irgendetwas scharrte den Waldboden auf, war ganz nah und kam noch näher. Was auch immer es war, das da grunzte und scharrte, Silvia registrierte es als Gefahr –
Gefahr für sich und Hans und auch Malow, vor allem aber bedeutete es eine Gefahr für Larissa! Alles in ihr sträubte sich, sie wollte sich nicht bewegen, durfte sich nicht bewegen, um ja keine Aufmerksamkeit zu erregen. Aber sie musste. Der Glücklichste Mann der Welt hatte Larissa mit einem drei Meter langen Seil an den Baum ihrer Mutter gebunden. Das Letzte, woran Silvia sich erinnern konnte, war, dass
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