Raub auf Burg Schreckenstein
der Spielstationen, die Beschaffung beziehungsweise Aufstellung der erforderlichen Einrichtungen und Geräte.
Zu diesen Arbeiten war die Ritterschaft in viele kleine Gruppen aufgeteilt. Überall, im Wald, in Schluchten, an Bächen, auf Bäumen und am See, arbeiteten sie für das große Spiel. Gelernt wurde in diesen Tagen nicht sehr viel, es sei denn in Heimatkunde.
„Mann! Ich dachte immer, durch mein Rennrad kenne ich mich in der Gegend hier aus“, wunderte sich Dampfwalze. „Jetzt kenne ich sie erst!“
Wenn die Schreckensteiner gegen achtzehn Uhr zur Burg zurückkamen, waren sie müde und vor allem hungrig und durstig. Deswegen hatte Heini, der Koch, das Abendessen in diesen Tagen vorverlegt. Frisch gewaschen gingen die Ritter über die kleine Treppe zum Esssaal hinauf. Vor der Küchentür stand Heini und schaute missmutig in die Gegend.
„Was ist denn los?“ fragte der sensible Strehlau, dem das gleich auffiel.
Ärgerlich winkte Heini ab. „Geht mal rein in den Esssaal. Dann seht ihr, was los ist. Ich hab’s jedenfalls zu spät gemerkt.“
Im Esssaal waren nicht, wie gewöhnlich, die Tische gedeckt, sondern leer, ohne Tischtücher, ohne Geschirr, ohne Besteck, und zusammengeschoben, so dass in der Mitte ein großer freier Platz entstanden war. Auf diesem Platz stand, aufgebockt auf Holzklötze, eine alte, aber noch tadellos emaillierte Sitzbadewanne — voll mit Kartoffelsalat.
Außen auf dem Grauguss der Rückenlehne stand mit Kreide geschrieben:
„Die sind gekommen“, klagte Heini, „zehn Mädchen ungefähr, und haben gesagt, ich soll heute nicht kochen, das würden sie für euch machen, draußen im Wald. Sie brauchten nur noch Geschirr und Besteck. Ich hab’s geglaubt, schon weil Sonja dabei war und ihnen gezeigt hat, wo alles steht. Und wie ich später nachschaue, haben sie alles mitgenommen. Aber auch alles!“
„Ganz begabt“, meinte Mücke. „Dass sie nicht nur nehmen, sondern uns auch was geben, das ist fast schon ein Schreckensteiner Streich.“
Die Ritter schmunzelten, holten aus ihren Zimmern die Tourenbestecke, die sie sonst beim Zelten verwendeten, und hatten großen Spaß daran, alle zusammen aus der Badewanne zu löffeln. Sogar Wursträdchen waren in dem Kartoffelsalat zu finden.
„Wie eine Bergbauernfamilie früher!“ sagte Ralph.
„Nur waren das nicht so viele“, erwiderte Armin.
„Zwiebeln, Gurken, Senf und Paprika sind drin“, befand Benedikt.
„Die vorn sollen jetzt mal weg, damit wir auch rankommen!“ rief Martin von hinten.
„Ja. Schichtweise!“ brüllte der kleine Kuno.
„Was ganz anderes“, sagte Werner. „Wie reagieren wir denn jetzt? Irgendwie müssen wir uns doch verhalten, den Hühnern gegenüber.“
„Ich finde die Idee so gut, dass ich vorschlage, wir bauen sie in unser Spiel ein!“ regte Klaus an.
„Darüber lässt sich reden“, meinte Hans-Jürgen und wandte sich an Heini, der noch immer verdutzt dabeistand. „Wo sind sie denn hin mit unserem Geschirr?“
„Weg“, antwortete der. „Sie haben einen kleinen Lastwagen dabeigehabt. Ich glaube, Sonja Waldmann hat ihn gefahren.“
Eine Weile kauten die Ritter stumm weiter. Bis Hans-Jürgen das Schweigen brach: „Dann müssen wir morgen rüber, um ihnen den Rücktransport abzunehmen!“ rief er unter großem Beifall.
Und der Rex, der hereingekommen war und über die Badewanne sehr gelacht hatte, meinte: „So habt ihr euch noch nie gefreut, wenn man euch einen Streich gespielt hat.“
„So gut hat auch noch keiner geschmeckt!“ rief Andi mit vollen Backen.
Der Rex schmunzelte. „Das ist eine schöne Generalprobe für das große Spiel. So muss die Stimmung sein. Genauso.“
Wie vorher das Wort „Mäusedressur“, so geisterte von jetzt ab der Begriff „Generalprobe“ durch die Ritterschaft. Zu einer richtigen Generalprobe aber gehörte ein großer Auftritt.
„Damit auch die Mädchen in die richtige Stimmung kommen. Schließlich helfen sie uns ja“, befand Mücke.
Sei es durch das tagelange Gehirntraining in Sachen „Streich“, oder als Folge der guten Laune, die seit dem Kartoffelsalat auf der Burg herrschte, die Ritterschaft war sich, ohne langes Palaver, einig, was sie machen wollte: einen Streich für alle. Mit allen. Als Generalprobe.
Dafür begaben sich alle zuerst einmal pünktlich zu Bett. Nur Mücke, Strehlau und Hans-Jürgen saßen im Wohnzimmer und verfassten Briefe an Doktor Schüler, den rasenden Lateinlehrer, an Gießkanne, Doktor Waldmann und den Rex.
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