Raubvogel der Sterne
wird sich schon wieder erholen.“ Joanna öffnete die Tür und bemerkte: „Ich überlasse euch beide euch selbst“, und entfernte sich.
Juli war wach und angekleidet, und ich sah, daß der Ausdruck erstarrten Entsetzens in ihren Zügen sich bereits gemildert hatte. Ihr Verhalten sprach immer noch von Qual und Schmerz, aber sie war nicht mehr hysterisch.
Ich setzte mich auf einen Stuhl und begann: „Juli, wir haben nicht viel Zeit. Ich muß bei Sonnenuntergang die Stadt verlassen haben. Ich möchte mich über Rakhal orientieren. Was er tut, wie er jetzt aussieht. Vergiß nicht, ich habe ihn jahrelang nicht gesehen. Erzähle mir alles – von seinen Freunden, seinen Vergnügungen, was du über ihn weißt.“
Sie beantwortete alle Fragen, die ich ihr stellte, aber im Ergebnis war es nicht viel, und es konnte mir kaum helfen. Wie gesagt, es fällt leicht, auf Wolf unterzutauchen. Juli wußte, daß er mit den neuen Insassen des Großen Hauses in Shainsa befreundet gewesen war – aber sie kannte nicht einmal deren Namen.
Ein Geräusch erklang draußen, und ich hörte eines der Magnussonkinder zur Tür eilen und zurückkehren, nach seiner Mutter rufen. Joanna klopfte an die Tür.
„Ein Chak mit einem Bündel für Sie steht draußen, Race. Er sagte, er müßte es Ihnen selbst übergeben.“
Ich nickte. „Wahrscheinlich meine Verkleidung. Kann ich mich im Hinterzimmer umziehen, Joanna? Bewahren Sie meine Sachen auf, bis ich zurückkehre?“
Sie willigte ein und fragte dann sachlich: „Ist es nicht scheußlich gefährlich für Sie? Ich hoffe nur, Sie kommen zurück, Race.“ Ich konnte nicht darauf antworten. Ich ging zur Tür und sprach mit dem felligen Nonhumanoiden in dem zischenden Dialekt der Kharsa, und er händigte mir das Paket aus, das wie ein Bündel Lumpen wirkte. Der Chak äußerte leise: „Ich habe ein Gerücht in der Kharsa vernommen, Raiss. Vielleicht wird es Ihnen helfen. Drei Männer aus Shainsa halten sich in der Stadt auf. Sie kamen hierher, um nach einer verschwundenen Frau und einem Spielzeugmacher zu suchen. Sie kehren morgen zurück. Vielleicht können Sie es so einrichten, daß Sie in ihrer Karawane reisen.“
Ich dankte ihm und trug das Bündel ins Haus. In dem leeren Hinterzimmer entkleidete ich mich und rollte das Paket auseinander. Es enthielt ein Paar weiter, gestreifter Reithosen, einen abgetragenen, schäbigen Kittel mit geräumigen Taschen, einen geflochtenen Gürtel, durch dessen abgescheuerte Vergoldung stellenweise das darunterliegende Metall schimmerte, und ein Paar knöchelhoher Lederstiefel, die mit ausgefransten Riemen von verschiedener Färbung zugebunden wurden. Ein kleiner Haufen von Amuletten und Petschaften lag dabei; ich wählte zwei oder drei aus und schlang sie mir um den Nacken.
Den größten Klumpen in dem Bündel bildete ein kleiner Krug, der nichts als die gewöhnlichen Gewürze enthielt, die auf dem Markt verkauft wurden und mit denen die Dürrstädter ihre Nahrung abschmeckten. Ich verrieb das Pulver auf meinem Körper, schüttete eine Prise in eine der Taschen meines Kittels und kaute einige der Körner. Ich rümpfte die Nase und spie aus – es würde einige Zeit dauern, bis ich mich wieder an den Geruch gewöhnt hatte, der nicht unangenehm, aber unvertraut wirkte.
Die zweite, harte Ausbeulung wurde von einem Skan hervorgerufen, und er war im Gegensatz zu den abgetragenen Kleidungsstücken nagelneu, scharf und glänzend und besaß eine Schneide wie ein Rasiermesser. Ich schob ihn in die Spange meines Kittels. Er strahlte eine beruhigende Wirkung aus.
Der Skan war die einzige Waffe, die ich mitnehmen konnte.
Ein schmaler, flacher Holzbehälter bildete den letzten der festen Gegenstände in dem Bündel. Ich öffnete ihn. Er wurde durch hölzerne Stäbe, die mit schwammigem, stoßdämpfendem Kunststoff überzogen waren, sorgfältig in Sektionen unterteilt, in denen winzige Glasstücke lagen, die auf Wolf einen höheren Wert als Edelsteine besaßen. Es waren Linsen: Kameraobjektive, Mikroskoplinsen, selbst Brillengläser. Ich zählte fast hundert, die in dem unzerbrechlichen Kasten übereinandergestapelt waren. Sie stellten meinen Vorwand für die Reise nach Shainsa dar. Selbst in Städten, die kein Terraner jemals aufgesucht hat, bringen diese Posten exorbitante Preise auf den öffentlichen Märkten und in den privaten Handelszentren. Der Handel damit ist Dürrstädterprivileg und eine bevorzugte Beschäftigung. Rakhal hatte sich, wie Juli mir berichtet
Weitere Kostenlose Bücher