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Raubvogel der Sterne

Raubvogel der Sterne

Titel: Raubvogel der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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aufzubrechen, und ich ahnte auch weshalb. Ich war verfolgt worden, vermutlich auf Befehl des Botschafters. Mein Schatten war mir bis hierher nachgegangen, hatte sich entfernt und war mit Verstärkung zurückgekehrt.
    Jemand schlug gegen die Tür, und eine Stentorstimme dröhnte: „öffnet! Im Namen des Terranischen Imperiums!“
    Der Gesang brach in einem Mißton ab. Evarin warf einen überraschten, wachsamen Blick um sich. Irgendwo kreischte eine Frau; die Lichter erloschen abrupt, und eine Panik brach in dem Raum aus. Ich drängte mich durch die Menge, stieß mich mit Schultern, Ellbogen und Knien voran.
    Eine dämmrige Leere öffnete sich und gähnte, ich erhaschte einen Blick auf Sonnenlicht und offenen Himmel und wußte, daß Evarin hindurchgetreten und verschwunden war. Die Schläge, die gegen die Tür donnerten, klangen nach einem ganzen Raumwaffenregiment. Ich erreichte den Schimmer winziger Sterne, der Miellyns Tiara aus der Dunkelheit heraushob.
    Ich packte das Mädchen und bahnte mir einen Weg zur Seite. Diesmal geschah es nicht auf Grund einer Intuition; in neun von zehn Fällen stellt eine Intuition nichts weiter als einen geistigen Kurzschluß dar, der alles einbegreift, was das Unterbewußtsein registriert hat, während die Gedanken bei einem anderen Problem weilten. Jedes Eingeborenenhaus auf Wolf besitzt verborgene Aus- und Eingänge, und ich wußte, wo ich sie zu suchen hatte. Der Fluchtweg bot sich genau dort an, wo ich ihn erwartet hatte; ich drückte gegen eine Stelle an der Wand und stand gleich darauf auf einem langen, matt erleuchteten Gang.
    Ich lief dem Ende des Ganges zu und gelangte durch die Tür in eine dunkle, friedliche Straße. Ein einsamer Mond versank hinter den Dächern. Ich stellte Miellyn auf die Füße, aber sie stöhnte nur und fiel gegen mich. Ich zog meinen Kittel aus und legte ihn um ihre bloßen Schultern; wir waren gerade noch rechtzeitig entkommen, den fernen Schreien und Schüssen nach zu urteilen. Niemand verließ hinter uns den Ausgang. Entweder hatten die Terraner ihn versperrt oder – was wahrscheinlicher schien – alle anderen waren zu benebelt gewesen, um zu erkennen, was vorging.
    Aber ich wußte, daß es nur wenige Minuten dauern konnte, bis die Raumwaffe das ganze Gebäude nach versteckten Schlupflöchern durchsuchen würde. Plötzlich und unzusammenhängend fiel mir der Tag ein, an dem ich vor einer Trainingseinheit der Raumwaffe gestanden hatte, den Kadetten als Geheimdienstexperte für Eingeborenenstädte auf Wolf vorgestellt worden war und ihnen eindringlich eingeschärft hatte, als erstes verborgene Zugänge ausfindig zu machen.
    Ich warf Miellyn über meine Schulter. Sie war schwerer, als sie wirkte, und nach einer halben Minute begann sie zu stöhnen und sich zu wehren. Weiter unten in der Straße lag eine von einem Chak geführte Eßstube, die ich von früher kannte, mit schlechtem Ruf und noch schlimmeren Speisen, aber sie stand die ganze Nacht offen, und niemand stellte dort Fragen. Ich bückte mich unter die Oberschwelle und trat ein.
    Der Innenraum war verräuchert und roch widerwärtig. Ich ließ Miellyn auf einen Diwan gleiten und schickte den schlampigen Kellner nach zwei Schüsseln Nudeln und Kaffee, gab ihm einige Münzen Trinkgeld und hieß ihn, dafür zu sorgen, daß wir nicht gestört wurden. Er zog die Rolläden herunter.
    Ich starrte das reglose Mädchen einige Sekunden lang an, zuckte dann die Schultern und machte mich über eine Schüssel her. Ich brauchte einen klaren Kopf; die Nudeln waren schmierig und wiesen einen eigenartigen Geschmack auf, aber sie waren heiß, und ich leerte eine Schüssel, ehe Miellyn sich bewegte und stöhnte.
    Als sie feststellte, daß sie ihre Hände nicht frei bewegen konnte, drehte sie sich um, richtete sich mit einer konvulsivischen Bewegung auf und starrte in wachsender Bestürzung um sich.
    „Es gab einen Tumult“, bemerkte ich, „und ich schaffte dich hinaus. Evarin hat dich gefesselt. Und was du denkst, trifft nicht zu; ich habe dir meinen Kittel umgelegt, weil dein Oberkörper frei war und ich dich nicht so über die Straße tragen konnte.“
    Zu meiner Überraschung stieß sie ein unsicheres Kichern aus und streckte mir ihre gefesselten Hände hin. „Würdest du …“
    Ich zerbrach die Kette und befreite sie. Sie rieb sich die Handgelenke, zog dann ihr Gewand hoch und befestigte die Falten, so daß sie verhüllt war, und gab mir meinen Kittel zurück.
    „O Rakhal“, seufzte sie, „als ich

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