Raubzug mit dem Bumerang
genau
so aus“, kicherte Gaby.
Tim gab Klößchen sein Bike zum
Halten, stiefelte über die Straße und verharrte an dem kaum kniehohen Zaun, wo
auch eine Pforte war, die ein Dackel im Schlusssprung schaffen konnte.
„Tag, mein Herr! Darf ich
hereinkommen?“
„Du darfst, mein Sohn“,
krächzte der Oldie.
Tim schwang die Beine über die
Pforte, dann sich selbst vier Stufen hinauf zur Terrasse.
„Setz dich!“ Der Alte deutete
auf einen Stuhl. „Worum geht’s? Was könnte ich beobachtet haben?“
Tim war verblüfft. „Woher
wissen Sie, was ich Sie fragen will?“
„Du hast es zu deinen Freunden
gesagt. Ich habe tatsächlich Augen wie ein Luchs und ich kann von den Lippen
lesen — wie Taubstumme das lernen. Hat einen enormen Vorteil. Bis zu einer
gewissen Entfernung kriege ich mit, was die Leute sagen, obwohl sie meinen, sie
wären unbelauscht.“
Tim pfiff durch die Zähne.
„Toll! Darf ich fragen, wie alt Sie sind?“
„97. Aber ich fühle mich wie
höchstens 80. Also, wie kann ich dir helfen? Im Übrigen sitze ich hier seit
drei Stunden. Bei schönem Wetter sogar den ganzen Tag. Denn“, er senkte die
Stimme, als verrate er ein Geheimnis, „ich bin nicht mehr berufstätig. Früher
war ich Rechtsanwalt, aber vor sechs Jahren habe ich die Kanzlei an meinen
Enkel übergeben.“
Das ist ihm sicherlich schwer
gefallen, dachte Tim. Er hatte Vertrauen gefasst zu dem Oldie, berichtete von
Kevins Entführung und dass der Tatort vermutlich dort drüben, knapp außer Sichtweite,
gewesen sei, vorhin.
„Den Kevin kenne ich vom
Sehen“, erklärte Dr. Rüderhoff. Inzwischen hatten sich die beiden miteinander
bekannt gemacht. „Heute ist er hier nicht vorbeigekommen. Aber zwei Typen sind
mir aufgefallen — am frühen Nachmittag. Sie kamen aus dem Park, ein Kahlkopf
und einer mit Locken. Gelichter, wenn du mich fragst, allerdings ordentlich
gekleidet. Natürlich hatte keiner ein so schönes Hawaii-Hemd wie ich.
Jedenfalls schleppte der Kahle einen zusammengerollten Teppich auf der Schulter.
Nee, keinen Teppich. Eher einfarbige, graue Auslegware. Die wurde in einen
Kastenwagen gelegt, einen Fudaji-Caramba. Und weg waren sie. Der Wagen war grau
oder blau und ziemlich dreckig. Das Kennzeichen weiß ich nicht. Wenn ich’s mir
jetzt überlege, war der Junge möglicherweise in der Auslegware eingewickelt.
Vielleicht war’s auch nur eine Decke. Jedenfalls ist das meine einzige
Beobachtung, die zu einer Entführung passt.“
„Sie passt.“ Tim war
begeistert. „Vielen Dank, Herr Dr. Rüderhoff.“
15. Aladin, die zahme Ratte
Diesmal erreichte Gaby per
Handy ihren Vater, den leitenden Kommissar. Er wurde informiert über Tims
Ermittlung und würde Dr. Rüderhoff Fotos vorlegen aus der Verbrecherkartei —
Fotos von kahlen und schwarzlockigen Vorbestraften. Vielleicht war das der
Anfang einer Spur. Außerdem würde man alle Fudaji-Caramba überprüfen. Aber von
denen gab’s viele.
TKKG setzten ihren Weg fort: zu
Jürgen Dünnlers Adresse. Falls Fabian Fenloh tatsächlich zu seinem Freund
wollte, stand er längst vor einer polizeilich versiegelten Tür.
TKKG radelten in ihrer üblichen
Formation und bogen ein in die Zielgerade, nämlich die Gutsherrenstraße. Auf
der anderen Straßenseite preschte ihnen ein grüner Pick-up entgegen, der
gesuchte. Fenloh saß übers Lenkrad gebeugt, ein bleiches Teiggesicht mit
blauschwarzen Haarsträhnen und Räuberhut. Offenbar knirschte der Typ mit den
Zähnen, bleckte sie auch und wirkte pitbull-verbissen. Der Wagen sauste um die
Kurve und war außer Sicht.
„Verdammt!“, rief Klößchen.
„Der Kerl regt mich auf. Für nichts und wieder nichts strampele ich mir die
Lunge aus dem Hals und der Typ gurkt umher, als hätte er Benzingutscheine für
ein Meer voller Kraftstoff.“
„Hoh!“, meinte Karl. „Dann
machen wir eben kehrt. Oder, Häuptling?“
Tim nickte. „Dünnlers Adresse
können wir uns sparen.“ Der Rückweg führte durch das Stadtviertel Gutsheide,
das erst vor kurzem eingemeindet wurde und seinen ländlichen Charakter im
Speckgürtel der Millionenstadt bewahrt hat. Dorfstraßen, zwei Freibäder, Siedlungshäuser,
unbebaute Grundstücke, wo die Wiesen kniehoch sind. Hier und dort weiden Ponys
und Schafe.
An der Leutbeurer-Straße gibt’s
einen kleinen Park mit Mini-Golf und einem Kiosk, der sich zum Biergarten
erweitert hat. Ausladende Kastanienbäume spenden Schatten für die Tische. Der
Parkplatz liegt hinter einem schmucklosen Steingebäude
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