Raue See
Servicemitarbeiter einer Firma namens »Geräteprofi Wismar – Ihr Partner für Hausgerätetechnik« verkleidet. Es gab kein solches Unternehmen in Wismar. Aber auch die Polizei arbeitete gelegentlich mit gefakten Namen auf Lkws. Ein guter Gedanke.
Er ging aus dem Haus, öffnete den Vito und wuchtete einen großen Karton für eine Spülmaschine von der Ladefläche. Mit Hilfe einer Sackkarre rollte er ihn vorsichtig zur Haustür. Als er den Karton im Wohnzimmer abgestellt hatte, schloss er die Haustür und öffnete das Behältnis. Er nahm zwei gefüllte Zementsäcke aus dem Karton und warf sie achtlos auf den Teppich. Er begann zu schwitzen.
Er hob Wiebke an und fädelte ihren Körper und die Extremitäten so in den Karton, dass er ihn wieder verschließen konnte. Seine Alltagskleidung packte er dazu. Dann klebte er den Karton mit Klebeband zu. Er rollte seine kostbare Fracht zurück zum Vito, wuchtete den Karton mit dem Altgerät, wie die Nachbarn glauben sollten, in den Wagen, verstaute die Sackkarre und verschloss die Ladefläche. Dann ging er noch einmal in das Haus, damit etwaige Beobachter annahmen, er würde sich den Lieferschein unterschreiben lassen. Stattdessen suchte er Wiebkes Handy, schaltete es aus und steckte es ein. Als er wieder draußen stand, drehte er sich noch einmal um und winkte zum Abschied in das leere Haus hinein, auf dessen Wohnzimmerboden Zementstaub verteilt war und dessen Fernseher immer wieder denselben Text präsentierte.
Er startete den Wagen und fuhr zu der abgelegenen Stelle, an der er seinen privaten Wagen geparkt hatte. Er lud Wiebke um und deckte sie mit Decken sorgfältig zu. Dann riss er sich die Latexmaske vom Gesicht, zog die Verkleidung aus und seine eigenen Sachen wieder an. Er tränkte die Sitze des unter falschem Namen gemieteten Transporters mit Benzin, öffnete das Seitenfenster und entzündete ein Sturmfeuerzeug, das er auf den Fahrersitz warf. Es gab das typische verpuffende Geräusch, wenn Benzin sich entzündete, und kurz darauf leckten rote Flammen aus dem Fahrerhaus des Wagens.
Er stieg in sein Auto und fuhr los. Niemand hatte ihn gesehen. Die Tricks, von denen Max immer so stolz erzählt hatte, waren so schlecht nicht, stellte er fest.
Als er die Autobahn erreichte, fuhr er den nächsten Rastplatz an. Dort entsorgte er Wiebkes Handy. Max hatte es angemacht, dass er die Frauen besitzen konnte. Er liebte die Vorstellung, dass sie sein Eigentum waren, wenn es auch immer nur für wenige Tage war. Ihm dagegen gefiel es, dass er sich an ihnen rächen konnte – für alles, was sie ihm angetan hatten.
* * *
»Todesursache war somit ein schwerer Hinterwandinfarkt. Fremdverschulden kann definitiv ausgeschlossen werden«, diktierte Streicher. Vor ihm lag der Leichnam des achtundsechzig Jahre alt gewordenen, schwerreichen Unternehmers Sigmund Belitz. Er war tot auf der Veranda seiner Villa aufgefunden worden. Der Umstand, dass die Alleinerbin seines auf knappe siebzig Millionen Euro geschätzten Vermögens eine erst vierundzwanzigjährige, langbeinige Blondine mit atemberaubender Oberweite und fragwürdigem Vorleben war, hatte bei Belitz’ Kindern aus erster Ehe und beim Staatsanwalt den Verdacht aufkommen lassen, die junge Witwe könnte nachgeholfen haben.
Dafür, dass dem nicht so war, sprachen die Beteuerungen der beiden im »Bunte«-Exklusivinterview von vor sechs Wochen, wonach es für beide die große Liebe sei. Soll es ja geben, dachte Streicher. Oder auch nicht. Umgebracht hatte sie ihn jedenfalls definitiv nicht, und das war ja auch schon mal was.
Er blickte auf die Uhr. Zwölf Uhr zehn. Wiebkes Anruf war überfällig. Das beunruhigte ihn, denn seine Drohung mit der Psychiatrie hatte offensichtlich gewirkt. Bis jetzt war sie eher überpünktlich gewesen.
Er rief Wiebke auf dem Handy an, erreichte aber nur die Mailbox. Er probierte es mehrfach auf der Festnetznummer. Auch dort hörte er nur den Text des Anrufbeantworters.
Von Selbstvorwürfen geplagt, rannte er aus seinem Institut, schwang sich in seinen Wagen und raste zu Wiebkes Haus. Nachdem auf sein Sturmklingeln niemand reagierte, ging er, unter einem qualvollen Déjà-vu-Erlebnis leidend, um das Haus herum. Er blickte durch das Glas der Terrassentür, sah die Zementsäcke, auf die er sich keinen Reim machen konnte, und verschaffte sich wie schon einmal gewaltsam Zutritt zum Wohnzimmer.
Als er eintrat, sah er den Text auf dem Fernseher. Alles in ihm verkrampfte sich, als er verstand, was er da
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