Raum
Kork ist schon ganz schön abgewetzt«, sagt sie mit zusammenen Zähnen. »Wie soll man da alles sauber halten?«
»Wo?«
»Hier, wo unsere Füße drauf herumschurgeln.«
»Ich klettere unter Tisch, da ist ein Loch in Boden und darunter so braunes Zeug, an meinem Fingernagel ist es härter.
»Mach es nicht noch schlimmer, Jack.«
»Tu ich ja gar nicht. Ich gucke nur mit meinem Finger.« Es ist wie ein kleiner Krater. Wir schieben Tisch rüber zu Wanne, damit wir auf Teppich sonnenbaden können, da ist es extra warm. Ich singe Ain’t No Sunshine , Ma singt Here Comes the Sun , ich komme mit You Are My Sunshine . Dann will ich was trinken, die Rechte ist heute Nachmittag besonders sahnig.
Das gelbe Gesicht von Gott macht durch meine Lider alles rot. Wenn ich sie aufmache, ist es zu hell zum Gucken. Meine Finger machen Schatten auf Teppich, ganz klein und zusemmengequetscht.
Ma döst.
Ich höre ein Geräusch, deshalb stehe ich auf, ohne sie zu wecken. Es ist drüben bei Herd, kritze kratze .
Ein lebendiges Ding, ein Tier, ganz in echt und nicht Fernseher. Es ist auf Boden und knabbert was, vielleicht ein Stückchen Pfannkuchen. Es hat einen Schwanz. Ich glaube, ich weiß, was das ist, ein Maus.
Ich gehe näher ran, und, schwupps, ist er unter Herd, deshalb habe ich ihn überhaupt nicht richtig gesehen. Ich wusste gar nicht, dass etwas so schnell sein kann. »Ach Freund Maus«, sage ich ganz leise, damit er keine Angst hat. So muss man mit einem Maus reden, das weiß ich aus Alice, nur erzählt die so aus Versehen davon ihrer Katze Dina, und da kriegt der Maus ganz viel Angst und schwimmt weg. Ich mache meine Hände zusammen so wie beim Beten. »Ach Freund Maus, komm doch wieder, bitte bitte bitte …«
Ich warte stundenlang, aber er kommt nicht.
Ma schläft ganz fest.
Ich mache Kühli auf, aber in dem ist nicht viel drin. Mäuse mögen Käse, aber wir haben keinen mehr da. Ich hole das Brot raus und zerkrümele ein bisschen auf einen Teller und stelle den dahin, wo Freund Maus war. Dann mache ich mich ganz klein und warte stundenlang.
Und dann passiert das Allertollste. Freund Maus streckt seinen Kopf raus, der ist ganz spitz. Beinahe springe ich hoch, aber dann mache ich es doch nicht, ich bin ganz mucksmäuschenstill. Er kommt zu den Krümeln und schnuppert. Ich bin nicht mal einen Meter weit weg. Jetzt wünschte ich, ich hätte den Lineal zum Messen, aber der ist in Schachtel unter Bett weggeräumt, und ich will mich nicht bewegen und Freund Maus erschrecken. Ich gucke seine Hände an, seinen Schnurrbart und seinen geringelten Schwanz. Freund Maus ist in echt, er ist am Leben und das größte Ding am Leben, das ich jemals gesehen habe, millionenmal größer als Ameisen oder Spinne.
Im nächsten Moment knallt was gegen Herd, ich schreie und stelle mich aus Versehen auf den Teller. Freund Maus ist weg, bloß wohin? Hat das Buch ihn kaputt gemacht? Es ist Mein Aufklappbuch Flughafen , ich gucke auf allen Seiten nach, aber er ist nicht da. Das Gepäckband ist ganz zerrissen und steht nicht mehr hoch.
Ma macht ein komisches Gesicht. »Du bist schuld, dass er weg ist«, schreie ich sie an.
Sie hat schon den Kehrblech in der Hand und fegt die Tellerscherben auf.
»Wie kommt der hier auf den Boden? Jetzt haben wir nur noch zwei große Teller und einen kleinen, das bist nur du …«
Der Koch bei Alice wirft Teller nach dem Baby und nach einem Kochtopf, der ihm beinahe die Nase abhaut.
»Aber Freund Maus hat die Krümel doch gemocht.«
»Jack!«
»Er war in echt! Ich habe ihn gesehen.«
Sie zieht Herd vor. Unten an Türewand ist ein kleiner Spalt. Sie holt die Alufolie und fängt an, ihn damit zu verstopfen.
»Nicht! Bitte!«
»Tut mir leid, aber wenn erst eine da ist, sind bald zehn da.«
Was rechnet die denn da?
Ma legt die Folie hin und packt mich fest bei den Schultern. »Wenn wir ihn dableiben lassen, werden wir bald überschwemmt von seinen Babys. Die stehlen dann unser Essen und schleppen mit ihren dreckigen Pfoten Bazillen rein …«
»Sie können mein Essen haben. Ich habe sowieso keinen Hunger.«
Ma hört gar nicht zu. Sie schiebt Herd zurück an Türewand.
Danach nehmen wir ein bisschen Klebeband und machen damit, dass die Hangar-Seite von Mein Aufklappbuch Flughafen wieder besser hochsteht, aber das Gepäckband ist zu kaputt, das kann man nicht mehr reparieren.
Wir sitzen zusammengekuschelt in Stuhlschaukel, und Ma liest mir dreimal Der Bagger Dylan vor, das heißt, es tut ihr
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