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Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
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warum kannst du das Buch Dylan nicht leiden?«
    »Ich habe es zu oft vorgelesen.«
    Aber wenn ich etwas will, dann will ich es immer, zum Beispiel Schokolade, ich habe noch nie zu oft Schokolade gegessen.
    »Du könntest es doch selbst lesen«, sagt sie.
    Das ist ja Quatsch, ich könnte alle selber lesen, sogar Alice mit ihren altmodischen Wörtern. »Mir ist es lieber, wenn du mir vorliest.«
    Ihre Augen sind ganz hart und glänzend. Dann schlägt sie das Buch wieder auf. »Hierrr kommt Dylan!«
    Weil sie sauer ist, lasse ich sie Das Häschen, das weglief lesen und dann noch ein bisschen Alice. Mein liebstes Lied ist das von der wu-underschönen Suppe. Ich wette, da ist kein Gemüse drin. Alice ist ewig in einer Halle mit ganz vielen Türen, eine ist klitzeklein, und als sie die mit dem goldenen Schlüssel aufkriegt, ist da ein Garten mit bunten Blumen und einem coolen Springbrunnen, aber Alice ist immer falsch groß. Als sie endlich in den Garten kommt, stellt sich raus, dass die Rosen nur aufgemalt sind und nicht in echt, und sie muss mit den Flamingos und den Igeln Krocket spielen.
    Wir legen uns auf Zudeck. Ich kriege ganz viel. Ich denke, dass Freund Maus vielleicht wiederkommt, wenn wir ganz leise sind, aber er macht es nicht, Ma muss jedes einzelne Loch zugestopft haben. Sie ist nicht gemein, aber manchmal macht sie gemeine Sachen.
    Als wir aufgestanden sind, spielen wir Geschrei. Ich haue die Pfannendeckel zusammen wie Becken. Geschrei dauert ewig, weil jedes Mal, wenn ich anfange aufzuhören, Ma noch ein bisschen weiterkreischt, ihre Stimme verschwindet beinahe. Die Flecken auf ihrem Hals sehen so aus, wie wenn ich mit Rote-Bete-Saft male. Ich glaube, die Flecken sind die Fingerabdrücke von Old Nick.
    Danach spiele ich mit Klorollen Telefon. Ich mag es, wie die Wörter dröhnen, wenn ich durch eine ganz dicke spreche. Normalerweise macht Ma die ganzen Stimmen, aber heute Nachmittag muss sie sich hinlegen und lesen. Es ist Sakrileg , und aus dem spähen die Augen von einer Frau raus, sie sieht aus wie die Mutter vom Jesuskind.
    Ich rufe Boots und Seestern Patrick und das Jesuskind an und erzähle ihnen alles, was ich jetzt kann, wo ich fünf bin. »Ich kann mich unsichtbar machen«, flüstere ich in mein Telefon. »Ich kann meine Zunge umdrehen und wie eine Rakete ins Weltall düsen.«
    Mas Augenlider sind zu, wie kann sie denn da durch lesen?
    Ich spiele Tastatur, da stehe ich neben Türe auf meinem Stuhl, und normalerweise sagt Ma die Zahlen, aber heute muss ich sie mir ausdenken. Ich tippe sie ganz schnell auf Tastatur, bloß keinen Fehler machen. Die Zahlen machen zwar nicht, dass der Türe aufpiept, aber mir gefällt das Geklacker, wenn ich sie drücke.
    Verkleiden ist ein leises Spiel. Ich ziehe die Königskrone auf, die ist aus ein bisschen Goldfolie und ein bisschen Silberfolie und da drunter einem großen Milchkarton. Für Ma erfinde ich ein Armband aus zwei verknoteten Socken, eine weiß und eine grün.
    Ich hole Spielesammlung von Regal und messe mit Lineal, jeder Domino ist über drei Zentimeter groß und die Dame-Steine ungefähr einen. Ich mache aus meinen Fingern Sankt Peter und Paul, sie verbeugen sich jedes Mal voreinander, bevor sie dran sind, und dann düsen sie ab.
    Mas Augen sind wieder auf. Ich bringe ihr das Socken-Armband, sie sagt, es ist wunderschön, und zieht es sofort an.
    »Können wir Stibitzen beim Nachbarn spielen?«
    »Lass mir noch einen Moment Zeit«, sagt sie. Sie geht zu Becken und wäscht sich das Gesicht. Ich weiß nicht, warum, sie war ja gar nicht dreckig, aber vielleicht gab es ja Bazillen.
    Ich stibitze zweimal ihre ganzen Karten, sie einmal, verlieren tue ich überhaupt nicht gern. Danach spielen wir Rommé und Quartett, meistens gewinne ich. Danach spielen wir einfach nur noch mit den Karten herum, Tanzen und Klauen und so Sachen. Den Karobuben habe ich am liebsten, und die ganzen anderen Buben hab ich am zweitliebsten.
    »Guck mal.« Ich zeige auf den Uhr. »Wir können Abend essen.«
    Jeder kriegt einen Hotdog, lecker.
    Für Fernseher setze ich mich in Stuhlschaukel, aber Ma setzt sich mit Nähzeug auf Bett und macht mit lila Lappen den Saum von ihrem braunen Kleid wieder dran. Wir gucken den Doktorplaneten, wo Ärzte und Schwestern Löcher in Personen schneiden, um die Bazillen rauszuholen. Die Personen sind nicht tot, sie schlafen. Die Ärzte beißen den Faden nicht ab wie Ma, sie benutzen superscharfe Dolche, und danach nähen sie die Personen wieder zu wie

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