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Raumfahrergarn

Raumfahrergarn

Titel: Raumfahrergarn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCaffrey , Jody Lynn Nye
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die Patienten an.
    »Jetzt, wo alles vorbei ist, fällt ihnen plötzlich ein, daß sie eine Reaktion zeigen müssen«, sagte Harris während einer Besprechung vertraulich zu Lunzie. »Das ist nach großen Belastungen nicht ungewöhnlich. Ich werde mich nicht in die Sitzungen einmischen. Ich werde nur beobachten. Die Leute kennen Sie und vertrauen Ihnen. Mir dagegen würden sie sich nicht richtig öffnen können. Vielleicht kann ich mir von Ihnen ein paar technische Kniffe abschauen.«
    Lunzie veranstaltete Gruppensitzungen für die Mannschaftsmitglieder des Destiny Calls. Fast alle Überlebenden besuchten die täglichen Zusammenkünfte, wo sie mit einiger Leidenschaft über ihre Angstgefühle und ihren Unmut redeten. Lunzie hörte mehr zu, als daß sie selbst redete, machte sich Notizen und warf gelegentlich eine Frage oder eine Bemerkung ein, wenn das Gespräch ins Stocken geriet oder vom Thema abkam; und sie achtete darauf, welche ihrer Patienten noch eine ausgiebigere, persönliche Therapie benötigte.
    Lunzie stellte fest, daß die Gruppensitzungen ihr ebensogut taten wie den übrigen Mannschaftsmitgliedern. Ihre eigenen Ängste und Befürchtungen kamen zur Sprache und wurden gründlich diskutiert. Zu ihrer Erleichterung schien niemand den Respekt vor ihr als Therapeutin zu verlieren, wenn sie über ihre eigenen Gefühle sprach. Die anderen hatten Mitgefühl mit ihr und schätzten es, daß sie sich um ihr seelisches Wohlergehen sorgte, nicht aus einer klinischen Perspektive, sondern als eine von ihnen.
    Die Energieanlagen- und Triebwerktechniker hatten die stärksten Belastungen ertragen müssen, aber die schlimmsten paranoiden Störungen kamen bei den Serviceleuten vor. Sie klagten über das Gefühl der Hilflosigkeit während der Zeit, als sie wach geblieben waren und geholfen hatten, die Destiny Calls zu säubern, weil sie nichts tun konnte, um die Situation für sich und die anderen erträglicher zu gestalten. Im Interesse der geistigen Gesundheit der Mehrheit hatte Captain Wynline angeordnet, daß alle seelisch angeschlagenen Mannschaftsmitglieder in den Kälteschlaf versetzt wurden. Damit weiter effektive Arbeit an den Systemen geleistet werden konnte, von denen ihr Überleben abhing, mußten die Techniker von zusätzlichen Belastungen abgeschirmt werden.
    »Eben noch hatten wir unsere Arbeit, und von einem Moment zum anderen wurden wir gerettet, während wir schliefen«, klagte Voor, eine der gurnsanischen Köchinnen, mit ihrer sanften Stimme. »Wir hatten keine Zeit, uns an die neuen Umstände zu gewöhnen.«
    »Keine Übergangsphase, meinen Sie?« fragte Lunzie.
    »Genau«, sagte einer ihrer Vorgesetzen, ein Mensch. »Einfach betäubt und weggepackt zu werden wie ein Stück Gepäck – so behandelt man doch keine empfindungsfähigen Wesen.«
    Perkin und die anderen leitenden Techniker verteidigten die Maßnahmen ihres Captains.
    »Ganz im Gegenteil. Im Interesse der allgemeinen psychischen Verfassung mußte Hysterie im Keim erstickt werden«, beharrte Perkin. »Ich hätte mich nicht konzentrieren können. Ein Kälteschlaf ist schließlich nicht tödlich.«
    »Es kann passieren! Leben und Tod – mein Leben und mein Tod – sind mir aus den Händen genommen worden.«
    Lunzie ging auf diese Bemerkung ein. »Das hört sich so an, als habe Sie weniger der Kälteschlaf gestört als der Befehl, sich in den Kälteschlaf zu begeben.«
    »Nun ja …« Der Mann dachte für einen Moment darüber nach. »Ich nehme an, wenn der Captain um Freiwillige gebeten hätte, wäre ich dabeigewesen. Ich gehe nicht gern drauf.«
    Captain Wynline räusperte sich. »In diesem Fall muß ich mich entschuldigen, Koberly. Ich bin auch nur ein Mensch, und ich war selbst starken Belastungen ausgesetzt. Ich bitte Sie um Verzeihung.«
    Es wurden lautstarke Proteste geäußert. Viele von den anderen brüllten Koberly nieder, einige bestanden aber kämpferisch darauf, daß Wynline sich entschuldigen müsse.
    »Sind Sie damit zufrieden?« fragte Lunzie aufmunternd.
    Der Mann zuckte die Achseln und schaute zu Boden. »Ich schätze schon. Geben Sie mir das nächste Mal die Gelegenheit, mich freiwillig zu melden, ja?«
    Wynline nickte ernst. »Sie haben mein Wort.«
    »Was ist mit dem Gerücht, daß wir für unsere Ausfallzeit nicht bezahlt werden?« fragte Chibor den Captain.
    Wynline ging fast automatisch in die Defensive. »Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber weil das Schiff als verloren eingestuft wurde, ist das

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