Raumfahrergarn
konntest.«
Tee war immer noch aufgewühlt. »Es tut mir leid. Ich wünschte, ich könnte dir eine größere Stütze sein.«
Lunzie atmete einmal tief durch. Sie sehnte sich danach, ihn in die Arme zu nehmen. »Danke, Tee, aber du hast mir alles gegeben, was ich wirklich brauchte. Du warst bei mir, als ich aufwachte, und du hast mich alles von der Seele reden lassen, damit ich mich wieder in der Gegenwart zurechtfinde. Und wenn ich in Melanies Haus nicht jemanden zum Reden gehabt hätte, wäre ich, glaube ich, durch die Decke gegangen! Aber das ist jetzt vorbei. Alles ist vorbei«, sagte Lunzie bitter. »Die Zeit ist an mir vorbeigegangen, und ich habe es nicht mitbekommen. Ich dachte anfangs, zehn Jahre im Kälteschlaf sind leichter zu verkraften als sechzig, aber es ist noch schlimmer. Meine Familie ist fort, und du bist weitergezogen. Ich nehme es hin, wirklich. Gehen wir aufs Schiff zurück, bevor ich mich als Ausstellungsstück in eine dieser Vitrinen stecken lasse.«
* * *
Sie trafen rechtzeitig ein, daß Tee wieder seine reguläre Schicht antreten konnte, und Lunzie ging in ihre Kabine zurück und schaffte den Rest ihrer Sachen hinunter in die Ledigenunterkünfte der Basis auf Alpha. Ganz gleich, was sie Tee glauben machen wollte, so hatten die letzten Tage doch an den Grundfesten ihrer Selbstachtung gerüttelt, und es tat weh.
Sharu war nicht da, deshalb gestand sich Lunzie fünfzehn Minuten zu, um ausgiebig zu weinen, und riß sich dann wieder zusammen, um ihre Situation neu einzuschätzen. Selbstmitleid war schön und gut, aber es beschäftigte sie nicht und sorgte auch nicht dafür, daß sich die Lufttanks mit Sauerstoff füllten. Das Shuttle war leer bis auf sie und den Piloten. Glücklicherweise war er nicht zum Reden aufgelegt. Lunzie konnte mit ihren Gedanken allein sein.
Die Basis bestand aus einer vollkommen geraden Reihe riesiger, kastenartiger Gebäude, die für Lunzie alle gleich aussahen. Ein Offizier, der mit einer Handvoll Memokuben vorbeitrabte, erklärte ihr den Weg zu den Ledigenunterkünften, wo die gestrandeten Angestellten der Destiny Lines bleiben konnten, bis sie vor dem Gericht ihre Aussagen gemacht hatten. Als sie die Ledigenunterkünfte erreicht hatte, trug sie ihr Gepäck in das Quartier, das man ihr zuwies, und ließ es dort stehen. Die nächsten Computerterminals, erklärte man ihr, waren im Freizeitraum zu finden.
An der unbenutzten Konsole im Freizeitraum loggte sie sich in das Anzeigennetzwerk ein und sah die geeigneten Angebote durch.
Am Nachmittag fühlte Lunzie sich schon sehr viel besser. Sie war entschlossen, ihr Wohlergehen nicht mehr von einer einzigen Person abhängig zu machen. Sie fügte ihrem täglichen Meditationsprogramm eine ›Mahnung‹ hinzu, die ihr Selbstbewußtsein stärken sollte. Die Wunden des Verlustes würden noch eine Weile schmerzen. Das war ganz natürlich. Aber mit der Zeit würden sie heilen und kaum Narben zurücklassen.
Ganz plötzlich wurde ihr bewußt, daß sie seit dem Morgen nichts gegessen hatte und es bald Zeit fürs Abendessen wurde. Der ausgiebige Blick in ihr Inneres, ganz zu schweigen von der anstrengenden Übungsstunde in mentaler Disziplin, hatte ein leeres Gefühl im Bauch hinterlassen. Die Theken in der Messe waren inzwischen sicher wieder geöffnet. Sie ging in ihr Quartier zurück, zog frische Sachen an und stieg in ihre Stiefel, um einen guten Eindruck zu hinterlassen.
»Lunzie! Was für ein Zufall. Lunzie, darf ich Sie mal sprechen?« Captain Aelock eilte auf sie zu, als sie den Hauptkorridor des Gebäudes betrat.
»Natürlich, Captain. Ich war gerade unterwegs, um mir etwas zum Abendessen zu holen. Wollen Sie sich nicht zu mir setzen?«
»Nun ja …« Er lächelte etwas hilflos. »Ich wollte Sie selbst zum Abendessen einladen, aber nicht hier. Ich habe gehofft, wir könnten ein wenig plaudern, bevor die Bern Sidhe startet. Ich bin sehr dankbar dafür, daß Sie Dr. Harris so geholfen haben, seit Sie an Bord gekommen sind. Er läßt Sie nur ungern wieder gehen. Und mir geht’s genauso. Ich kann Sie wohl nicht überreden, für uns zu arbeiten? Wir können immer Leute mit Ihren Qualifikationen gebrauchen.«
Es wäre sicher angenehm gewesen, unter einem Kommandeur wie Aelock zu dienen. Lunzie war versucht, das Angebot anzunehmen, doch dann fielen ihr Tee und Naomi ein. »Es tut mir leid, Captain, aber nein, danke.«
Der Captain war sichtlich enttäuscht. »Nun gut. Aber ich möchte Sie trotzdem zu einem
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