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Raumkundschafter Katman

Raumkundschafter Katman

Titel: Raumkundschafter Katman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Ansorge
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anderen Zusammenhängen bereits gestoßen war, die er aber stets verdrängt hatte.
Die Handhabung von Verantwortung, Entscheidungsbefugnis und – zwang veränderte – wie jede Tätigkeit – die Persönlichkeit, den Charakter des Menschen.
»Es wächst der Mensch mit seinen höheren Zwecken«, formulierte der Dichter. Und der junge Marx drückte es wissenschaftlich aus in seiner dritten Feuerbachthese. Es handelte sich um gar keine neue Erkenntnis. Also konnte es auch ausgesprochen werden.
Sie alle übten ihre Funktion im Obersten Rat schon seit Jahren, seit Jahrzehnten aus. Grubkow mehr als dreißig, der G. V. erst fünf Jahre, er selber gerade ein Jahrzehnt. Er hatte es an sich selbst beobachtet, wie ihn allmählich ein neues Verhalten anderen gegenüber zu beherrschen begann. Ein Verhalten, das bestimmt wurde von dem Bewußtsein der eignen Macht. Direkte und indirekte Macht. Aber nicht die Tatsache (und ihr Bewußtwerden), soviel potentielle Gewalt zu verkörpern, hatte ihn verändert, nein, erst die jahrelange Ausübung dieser Tätigkeit im Amt, die Gewöhnung an die Verantwortung hatten sein Verhalten verändert.
Anfangs wollte er es nicht wahrhaben. Aber er blieb ehrlich, auch sich selbst gegenüber.
Die Gewohnheit, die Macht als etwas Gegebenes und Dauerndes, Selbstverständliches auszuüben, das war es. Sie erhob den Verantwortungsträger – ob er es wollte oder nicht wollte, ob er es wußte oder nicht wußte – über die anderen, machte ihn zu einem elitären Wesen. Gewiß, vieles wurde objektiviert durch die Informatik, die Computeranalysen und die rechnergestützten Entscheidungsvarianten. Aber letztendlich bestimmten Menschen die Tätigkeit der Computer. Meist der Mensch an der Spitze der jeweiligen Hierarchie. Es ging um ganz konkrete Menschen. Personen mit Namen.
Daran änderte auch die kollektive Beratung im Obersten Rat nur wenig. Für jeden im Rat blieb genug Verantwortungslast. Auch Machtwollust für jeden, der sich ihr hingeben wollte.
Den Blick auf die rote Plastebox gerichtet, setzte er sich wieder. Wie um einer Versuchung zu entgehen, rückte er den Sessel heraus aus der Ecke. Er stützte die Ellenbogen auf die Knie, legte den Kopf in die Hände. Welchen Weg hatten seine Gedanken eingeschlagen! Das kam von dem Schock, dem Schock der heutigen Nacht. Es war sein eigenes, negatives Machterlebnis, wie ein Mächtiger mit ihm verfuhr.
Viel wurde geredet und gespeichert in den letzten Jahrhunderten über die Kontrolle der Macht, die die Personen an der Spitze der Gesellschaft jeweils ausübten. Lehrgeld wurde gezahlt, bitteres. Das Gewissen bemüht, die Öffentlichkeit. Und was blieb am Ende? Das Spiel zwischen Demokratie und zentraler Macht endete mit dem Übergewicht derer, die die Macht besaßen. Frappierend, wie sie ihre Position über Krisenzeiten hinweg retteten, in der Regel. Selbst wenn Fehlentscheidungen zu erheblichen Mißständen führten, ganze Menschengruppen in Verzweiflung stürzten – am Ende behaupteten sich meist die, die an den Terminals der Macht saßen. Erstaunlich, wie wenig sich seit den Zeiten Nofretetes daran geändert hatte. Wie lange sich mancher der Verantwortungsträger im Amt hielt. Sie wichen nur schwerer Krankheit – und die war selten geworden – oder dem Tod. Der war allerdings der gleiche geblieben. Nur daß er die Menschen länger leben ließ als in früheren Zeiten. Die Lebenserwartung hatte sich in den letzten Jahrhunderten fast verdoppelt.
Leise gongte das Sondersignal, die rote Diode blinkte. Erleichtert, daß er aus seinen verworrenen Gedanken gerissen wurde, rannte er in die Ecke, riß die Plombe ab, erwartete die Anrede. Dann erinnerte er sich. Auf diesem Apparat rief nur er an. Da galt die Regel nicht, daß der Anrufende sich als erster zu melden hatte.
»Ray Harper. Ich höre.«
»Ich muß dich um Entschuldigung bitten.« Der Generalverantwortliche. »Ich wollte es diskret machen. Leider mißglückte meine Absicht.«
Er hörte einen Seufzer.
»Aber ich gab doch wirklich keinen Anlaß…«
»Vertrauen ist gut. Vertrauen plus Kontrolle ist besser. Es klingt banal, ist aber eine gültige Maxime.«
»Dennoch begreife ich es nicht. Seit Jahrhunderten gab es keine Verletzungen der Verfahrensweisen im und um den Obersten Rat.«
Pause. Dann: »Vielleicht, weil mancher meiner Vorgänger ähnlich fürsorglich handelte, wie ich dir gegenüber?«
Es überlief ihn heiß. Daß er daran nicht gedacht hatte. Da gab es zwei, drei überraschende Wechsel im Amt des

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