Raumkundschafter Katman
Rängen wimmelten Menschen. Dennoch wirkte der Saal leer. Nicht einmal die Hälfte der Plätze war besetzt, ganze Flächen fast menschenleer.
In der Luft hing ein ständiges Summen – das ferne Plaudern und Rufen von Platz zu Platz und über Reihen und Ränge hinweg.
Sie fanden ihr Abteil. Einige von der Poolman-Besatzung saßen bereits in den Drehsesseln. Gladyschew begrüßte sie. Ianow nahm eine Reihe hinter ihnen Platz.
»Sind wir zu früh dran?« Gladyschew wies über das weite
Oval. »Wenig besetzt.«
Salbeg, der erste Offizier der Poolman, erwiderte: »Scheint
so. Aber zur Zeit werden ja noch Routinefragen behandelt.« Erst jetzt bemerkte Gladyschew, daß der Rat auf der Bühne
bereits tätig war. Er schaltete seinen Monitor ein und setzte die
Knopfhörer in Betrieb.
»Lohnt sich nicht«, meinte Salbeg, »es geht um die Neufassung der Eigentumsparagraphen des Großen Strafgesetzbuches.
Ist nur etwas für Juristen. Oder Asoziale.«
»Es könnte mich interessieren«, widersprach Gladyschew. Er
regulierte an seinen Drehknöpfen und Tasten, stellte das Bild
scharf und betrachtete die Ratsmitglieder. Er vermißte Per
Grubkow und Ray Harper. Auch der Generalverantwortliche
fehlte. Einer seiner Stellvertreter leitete die Sitzung. Er wandte
sich Serp Ianow zu, fragte, weshalb diese Männer fehlten. »Wahrscheinlich kommen sie erst zum Yogabericht. Solange
nehmen ihre Stellvertreter teil.«
Gladyschew fand das eigenartig. Vor allem enttäuschte ihn,
daß der Generalverantwortliche nicht selber präsidierte. Ist
doch seine Arbeit, dachte er.
Auf der Bühne ereiferte sich der Rechtsverantwortliche des
Rates. Es dauerte eine Weile, bis Gladyschew begriff, worum
es ging.
Die drei alten Eigentumsparagraphen waren zu undifferenziert abgefaßt. Viele Erdenbürger machten sich das zu nutze,
lebten über ihren Leistungsfonds hinaus auf Kosten anderer.
Wie die Justizverantwortlichen das beheben wollten, mit Erweiterung des Textes und einem Wust von Durchführungsbestimmungen, blieb ihm allerdings rätselhaft.
Kopfschüttelnd schaltete er seine Technik ab.
Jock Shayle erschien, setzte sich hinten zu Serp Ianow, nickte
den Poolman-Leuten flüchtig zu.
Später kam Pjotr Morenow mit einigen Mitarbeitern der Sicherheitsbehörde. Sie besetzten das Abteil neben den Männern
mit der Besatzung der Poolman. Morenow trat an die Balustrade, begrüßte Gladyschew und die anderen Offiziere mit Handschlag.
Gladyschew nutzte Zeit und Gelegenheit, um zu fragen:
»Weshalb solche Alltagsprobleme auf dieser Sitzung? Sie interessieren doch keinen.«
»Für Menschen, die sich nicht so im Weltall umhertreiben
wie ihr Raumfahrer, hat der Alltag auf Erden schon seine Bedeutung. Aber solche Entscheidungen mit der Problematik der
Yogaereignisse zu koppeln, ist in der Tat ungewöhnlich.« Er
hob entschuldigend die Schultern. »Alles hat eben seinen Preis,
vor allem der Kompromiß.«
Gladyschew krauste die Stirn. »Verstehe ich nicht.« »Ganz simpel. Einige Mitglieder des Obersten Rates wollten
mit dem Yogabericht in die große Öffentlichkeit – das heißt in
diesen Saal; andere hätten über den Bericht lieber im engsten
Kreise getuschelt. Geeinigt hat man sich auf einen Zwitter:
Beratung im Saal der Nationen, gleichzeitig Erweiterung der
Tagesordnung durch Bagatellfragen. Damit soll die Bedeutung
der Yogaproblematik sozusagen veralltäglicht werden.« Verwundert schüttelte Gladyschew sein graustoppliges
Haupt. »Im Raum geht es eindeutiger zu.« Er ließ seinen Blick
schweifen. »Es scheint in der Tat zu funktionieren, wenn ich
mir den halbleeren Saal ansehe.«
»Abwarten. Das wird sich ändern. Das Interesse an den Yogaereignissen ist groß. Riesengroß.«
»Aber die Beratung wird doch live durch die Medien übertragen. Weshalb sollten sich da Hunderttausende die Mühe machen, hierher zu kommen?«
»Dabei zu sein ist Ehrensache. Wie bei den Fußballfans.
Trotz moderner holographischer Spielübermittlung füllen sie
immer noch die Stadien, wenn gute Mannschaften spielen,
nehmen Anteil durch Beifall, Pfiffe. Und hier im Saal der Nationen kann jeder seine Parteinahme elektronisch mitteilen,
sich zu Wort melden, Fragen stellen, sich äußern…« »Bisher hat sich noch keiner in der Art eingemischt.« Morenow lachte. »Warten wir das Hauptthema des Tages
ab.«
»Und selbst wenn sich jemand einmischt – das ganze bleibt
doch nur eine schlechte Show.« Gladyschew wollte es nicht in
den Kopf, daß die Erde anders regiert wurde als sein Raumschiff.
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