Raumschiff 2 - Nancia
albernen Gedichte erinnern, mit denen er jede Sitzung begann…
Und ohne nachzudenken oder ihre künstlich ergänzten
Speicherbanken zu bemühen, legte Nancia los.
Die Bauernmagd hatte braunes Haar,
brachte Butter und Eier, die Liese
und ich las ein Gedicht,
weiß nicht, wo es war,
das hatte nur Verse wie diese…
Ein junges GehirnSchiff von Wega kam…
Jung Chipfried wollt’ baden im Datenblut,
das tat seinen Speicherbausteinen so gut.
Er nahm RAM und ROM,
sprach zur Festplatte: »Komm!«
Und fraß Algorithmen in köstlicher Wut.
Nancia ging Ser Vospatrians gesamtes Repertoire durch, bis sie kicherte und auf der Woge natürlicher Beschwingtheit ihrer durch Lachen produzierten Endorphine schwamm. Und dann machte sie sich daran, ihre Sensorverbindungen eine nach der anderen anzuschalten.
Die Unterdecksensoren waren vollkommen nutzlos, ebenso ihr Navigationscomputer und die neuen Mathematik-und
Grafikkoprozessoren, die sie erst kürzlich angeschafft hatte.
Tatsächlich alles, was Hyperchips aus Shemali enthält… Und mit dieser Schlußfolgerung wußte Nancia sofort, wer er war, der da auf sie einschlug, und warum.
Nacheinander öffnete sie die Oberdecksensoren, nahm erst die schlafenden Leiber wahr, die in den Gängen und Kabinen lagen: Sev, über den isometrischen Federgeräten im
Fitneßraum zusammengesackt, Hände und Füße noch immer
an den Halterungen; Alpha, in ihrer Kabine angeschnallt; Blaize, der über dem Deck des Korridors schwebte.
Meuterei. Und irgend jemand hat Schlafgas freigesetzt. Aber welche Seite? Sie öffnete langsam die Sensoren der Kontrollkabine, blieb vorsichtig. Die Backbordsensoren waberten und gaben ein erratisches Bild wieder. Irgendwie mußten Polyons Hyperchips daran arbeiten, das gesamte
Computersystem zu kontaminieren. Ich habe nicht viel Zeit…
Nach weniger Zeit, als sie geglaubt hatte, mußte Nancia begreifen, als sie den Konflikt im Kontrollraum zu
überschauen begann. Generalin Questar-Benn ausgeschaltet –
natürlich, die Hyperchips in ihren Prothesen –, Darnell ihren Nadler auf einen trotzigen Forister gerichtet, während Polyon im Pilotensessel saß und mit seinen Befehlen auf der
Computerkonsole spielte. Dagegen konnte sie wenigstens etwas unternehmen. Nancia schlug zurück, speiste dem
Computer ihre eigenen Befehle ein, deaktivierte die Konsole Abschnitt um Abschnitt, verzerrte Polyons Befehle, wie sie hereinkamen. Er gab eine Sequenz ein, die sie nicht kannte; sie verfolgte sie zu ihrer Quelle und erkannte mit einem Schrecken ihren eigenen Zugangskode. Schon hallten die melodischen Töne in der Kabine wider. Doch die dazugehörigen Silben waren nicht am selben Ort gespeichert… sie müssen aber irgendwo sein. In irgendeinem Teil meines Gedächtnisses, der für meinen bewußten Zugriff unzugänglich bleibt. Sonst würde meine Schale sie nicht erkennen und sich für sie öffnen. Nancia war zunächst recht stolz darauf, das herausbekommen zu haben. Dann wurde ihr mulmig, als sie sich fragte, wie lange Polyon wohl brauchen würde, um zur selben Schlußfolgerung zu gelangen. Und wenn die Silben dort gespeichert sind, wo ich sie nicht bewußt wieder abrufen kann, wie kann ich Polyon dann daran hindern, es zu tun?
Sie fühlte sich geschwächt von den wiederholten
Schlaufendurchtritten durch vier Dekompositionsräume, aber es gab keinen sicheren Weg, die Schlaufe zu verlassen, bevor sie nicht ihre volle Rechen-und Navigationskraft
wiedererlangt hatte. Dann wollen wir mal als erstes den Schaden reparieren… Nancia arbeitete furios, deaktivierte nachhaltig jene Teile ihres Computersystems, die von den Shemali-Hyperchips kontaminiert waren, suchte nach
alternativen Zugangspfaden zu den Prozessoren, die bisher unberührt geblieben waren. Gleichzeitig kroch das von Polyon entfesselte Wurmprogramm immer tiefer in ihr System hinein, veränderte und mutierte dabei Programmcodes, löschte seine eigenen Spuren, so daß sie seine letzte Position immer nur an dem plötzlichen Aufflackern desorientierenden Sinnesinputs oder verzerrter Mathematik bestimmen konnte. Bevor sie irgend etwas anderes unternehmen konnte, mußte sie diesen Kode finden und stoppen.
Tief im komplizierten Gespinst ihres eigenen Systems zuckte Nancia vor Schmerz zusammen, als Darnell Forister
niederstreckte.
Nicht zuhören. Gar nicht darüber nachdenken. Sie würde ihre gesamte Konzentration brauchen, um Polyons Piratenkode auszuschalten, mehr Konzentration, als sie
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