Raumschiff 2 - Nancia
plapperte.
»Na ja, ich denke, du hättest es ja ohnehin bald erfahren«, sagte Polyon gerade. »Aber ich finde es furchtbar, daß ausgerechnet ich dir davon mitteilen muß.« Jetzt musterte er Darnells Gesicht aufmerksamer, als er jemals auf den
Spielbildschirm geblickt hatte.
»Was mußt du mir mitteilen?« Zum ersten Mal spürte
Darnell, wie ihn ein eisiger Schauer der Furcht beschlich.
»In dem Prozeß ist alles ans Tageslicht gekommen«, erklärte Polyon. »Du weißt doch, dieser Buchhalter, der die Gelder seiner Klienten abschöpfte, um damit Lottoide zu spielen? Die OG-Schiffstransport war einer seiner größten Kunden. Und dein Vetter Wigran wußte ganz genau, was der Bursche da tat.
Er hat ihn sogar dabei unterstützt – gegen einen
entsprechenden Einsatzkapitalanteil. Die haben zusammen mehr als neunzig Prozent der Aktiva der OG-Schiffstransport verspielt. Ich fürchte, alles, was du auf Bahati erben wirst, ist eine überalterte KI-Drohne und ein Berg von Schulden.«
Darnells verschwitzte Finger rutschten ab und drückten den Feuerknopf fester, als er eigentlich vorgehabt hatte.
Knochenbrechers Düsenpakete gaben Maximalschub. Der Stoß prallte wirkungslos an Dingsbums’ unsichtbarem Zauberschild ab und trieb Knochenbrecher, der nun nicht mehr genügend Energie zur Verfügung hatte, um seinen persönlichen
Schutzschirm zu aktivieren, in die Schwärze des Tiefenalls hinaus. Sein Cyborg-Körper explodierte zu Millionen Sternen aus Syntholegierungsschrott.
»Mann!« sagte Polyon und blickte endlich auf die
schillernden Lichteffekte am Schirm. »Das ist ja wirklich ein großartiges Spiel! Schau dir nur mal diese Grafik an! Was ist denn das, eine Supernova?«
»Das bin ich«, antwortete Darnell Overton-Glaxely. Ein Gentleman wußte, wann er in den sauren Apfel zu beißen hatte. »Ich schulde dir fünf Einheiten.«
BLAIZE
O nein, bitte nicht noch einer!
Nancia schaltete kurz ihre sämtlichen Innensensoren aus, als Blaize Armontillado-Perez y Medoc sich in seiner Kabine zu rühren begann. Sie war bereits zu dem Schluß gelangt, daß ihre Passagiere am erträglichsten waren, wenn sie schliefen. Wenn sie doch nur ihre Kabine mit Schlafgas befluten und sie in Bewußtlosigkeit halten könnte, bis sie das System Nyota ya Jaha erreicht hatten… Doch Nancia unterbrach sich selbst mitten in diesem Gedanken. Sie wurde ja schon genauso
schlimm wie die! Wie konnte sie so etwas überhaupt nur denken! Hatte sie nicht die allerbesten Zensuren in den Fächern Integrität und Hüllenethik erhalten? Eigentlich hätte sie durch Familienherkunft und Akademieausbildung doppelt dagegen gefeit sein müssen, sich einen derartigen Verrat an ihren Idealen auch nur vorzustellen.
Es gab nichts, was sie daran hindern könnte, ihre
Innensensoren solange ausgeschaltet zu halten, bis sie Nyota ya Jaha erreicht hatten. Nancia dachte kurz darüber nach, bevor sie sich dagegen entschied. Gewiß, ihre Passagiere würden nichts davon bemerken, da sie ohnehin bereits davon ausgingen, es mit einem Drohnenschiff zu tun zu haben, das lediglich darauf programmiert war, sie ungestört ans Ziel zu befördern. Und sie hätte auch nur zu gern die komplizierten Singularitätstransformationen, die sie durch den
Dekompositionsraum beförderten, ohne eine Ablenkung durch diese… Bälger ausgeführt. Doch schreckte sie vor dem Gedanken zurück, über eine Woche in der Isoliertheit des Alls zubringen zu sollen, ohne etwas anderes zu Gesicht zu
bekommen als die kreisenden Sterne, ohne ein anderes Gehirn, mit dem sie kommunizieren konnte – denn wenn sie einen Funkkanal zur Zentrale öffnete, würde ihr Cousin Polyon mit seiner Neigung, in den Computersystemen des Schiffs
herumzuspionieren, mit Sicherheit die
Kommunikationsaktivitäten bemerken. Gehirn-Schiffe waren genauso menschlich wie Normalpersonen; Nancia wußte, daß es unklug wäre, sich über eine so lange Strecke dem Streß einer teilweisen sensorischen Deprivation auszusetzen.
Außerdem wollte sie wissen, was ihre Passagiere im Schilde führten.
Als Nancia die Sensoren der Zentralkabine reaktivierte, schlenderte Darnell bereits den Gang zu seiner eigenen Kabine entlang, während Polyon ihm mit zornig verspannten Lippen folgte. »Ich mag diesen Namen ganz und gar nicht«, teilte er Blaize gerade mit.
Hastig überprüfte Nancia das automatische
Aufzeichnungssytem der Kabine. Blaize hatte seinen Cousin aufgezogen, indem er ihn ›Polly‹ nannte.
Weitere Kostenlose Bücher