Raumschiff 2 - Nancia
weshalb ein nettes Mädchen wie du einen Kübel voll Gesocks wie uns in der Gegend herumkutschiert.«
Die Frage kam Nancias eigener Einschätzung ihrer
Passagiere bedenklich nahe. »Woher hast du denn gewußt, daß ich ein GehirnSchiff bin?« entgegnete sie.
»Die Startprozedur hätte zwar auch von einer KI-Drohne ausgeführt werden können. Aber irgendwie mochte ich nicht glauben, daß der Medoc-Clan und der Rest unserer
fürsorglichen Familien uns per Automatik auf einen Ausflug durch die Singularität losgeschickt hätte. Das hätte irgendwie nicht zur Würde der Hochfamilien gepaßt, weißt du, unsere Sicherheit einem Paket Metachips zu überantworten anstelle eines menschlichen Hirns.«
»Du hast anscheinend keinen allzu großen Respekt vor deiner Familie, wie? Kein Wunder, daß sie dich auf eine Randwelt verschicken. Wahrscheinlich haben sie Angst, daß du sie in Verlegenheit bringen könntest.«
Für einen Moment wirkte Blaizes sommersprossiges Gesicht kalt und hart und unendlich traurig. Doch dann begann er, so schnell, daß ein menschliches Auge die kurze
Selbstoffenbarung kaum bemerkt hätte, zu grinsen und Nancias Säule zu salutieren. »Absolut. Mit einer winzigen Korrektur.
Die befürchten nicht nur, daß ich sie in Verlegenheit bringen könnte, sie sind sich dessen ganz sicher!« Er zog einen der gepolsterten Sessel hervor, setzte sich mit gekreuzten Beinen mitten in die Kabine, die Arme vor der Brust verschränkt, und strahlte Nancias Säule an, als wäre ihm der Begriff ›Sorgen‹
ein Fremdwort. Sie holte sich das Abbild seines Gesichts vor ein paar Augenblicken zurück und projizierte es intern, verglich den jungen Mann mit den traurigen Augen aus der Aufzeichnung mit dem lächelnden Jungen in der Kabine. Was konnte ihm nur so weh tun? Gegen ihren Willen empfand sie einen Anflug von Sympathie für diesen verwöhnten Edling, dieser Schmach der Hochfamilien.
»Und hast du es auch vor?« fragte sie in neutral gehaltenem Tonfall.
»Was? Ach so – ihnen Schande zu bereiten?« Blaize zuckte mit den Schultern. Nancia begann sich zu fragen, wie viele von seinen scheinbar ungewollten Gesten tatsächlich einstudiert sein mochten. »Nein, jetzt ist es zu spät. Klar, als Kind hatte ich schon so meine Phantasien. Aber inzwischen bin ich doch vielleicht ein bißchen alt dafür, um wegzulaufen, meinst du nicht?«
»Wohin – zum Zirkus?«
»Nein. Zur Raumakademie. Um genau zu sein.« Blaize sagte es mit einer Stimme, die ebenso neutral gehalten war wie Nancias, »Ich hatte mir immer ausgemalt, mich als Pilot ausbilden zu lassen – nicht lachen – war eben nur so eine Kinderei. Aber ich konnte mir wirklich nie etwas Schöneres vorstellen, als mit einem GehirnSchiff zu arbeiten. Zwischen den Sternen hin-und herzufliegen, Leben und Welten zu retten, als Partner eines lebendigen Schiffs den Tanz des Weltalls zu meistern…« Seine Stimme begann zu beben. »Wie ich schon sagte – dumme Vorstellungen eines Kindes.«
»So fürchterlich dumm finde ich das gar nicht«, antwortete Nancia. »Warum hast du es aufgegeben? Hat dir vielleicht irgend jemand eingeredet, daß man als Pilot ein Meter achtzig groß und so gebaut sein muß wie… wie Polyon de Gras-Waldheim?«
»Aufgegeben?« wiederholte Blaize. »Ich habe es nicht
aufgegeben. Ich bin dreimal weggelaufen. Beim ersten Mal bin ich sogar tatsächlich auf die Raumakademie gekommen. Habe an den öffentlichen Tests teilgenommen, Papiere gefälscht, um mich als Kriegswaisen auszugeben, habe sogar ein Stipendium gewonnen. Ich war drei Wochen dort, bis mein Lehrer mich aufspürte.« Die spontane, unverhüllte Freude in seinem Gesicht, als er sich an diese Wochen erinnerte, zerriß Nancia fast das Herz. »Beim zweiten und dritten Mal wußten sie dann schon, wo ich hingehen würde; da wurde ich vor der Akademie von einem Trupp Privatwachen des Hauses Medoc erwartet.«
»Deine Familie scheint ja ziemlich heftig gegen deine Idee eingestellt gewesen zu sein.«
Blaizes unruhiges, häßliches Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. »So etwas gehört sich eben einfach nicht für Leute in unserer Position, weißt du. Ist nicht ganz passend. Meine Cousine Jillia steht kurz davor, nächster Planetengouverneur von Kazauri zu werden, und mein Kumpel Henequin – der Sohn des besten Freundes meines Vaters«, erklärte Blaize nebenbei, »leitet bereits den Planetaren Hilfsdienst von Wega.
Ein Sohn, der sich zum Piloten ausbilden läßt, kann natürlich nicht mit
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