Raumschiff 2 - Nancia
was mit ihnen passierte. Es waren unheilbare Fälle – lagen dem Staat nur auf der Tasche, solange sie noch lebten. Ich habe ihnen einen Gefallen getan, indem ich dafür sorgte, daß ihr Leben wenigstens einem Zweck diente.«
»Irgendwie«, murmelte Polyon, »glaube ich nicht, daß das Gericht das genauso gesehen hätte. Aber du bist ja auch nie vor Gericht gestellt worden, nicht wahr? Der Hezra-Klan und der Fong-Stamm hätten das nicht zugelassen. Ein privater
Vergleich im Büro der Medizinhochschule, ein Versiegeln der Akten.«
»Woher – hast du das?« Alpha keuchte. Er stand jetzt sehr dicht bei ihr, seine Stimme war nur ein allerleisestes Vibrieren der Lippen, die ihr beinahe über die Wangen strichen. Die nackte Gewalt seines Willens und sein Zorn legten sich um sie.
Sie spürte, wie ihr Rückgrat weich wurde. Sein Lächeln machte sie frösteln.
»Das ist mein kleines Geheimnis«, sagte er zu ihr, immer noch lächelnd. Gesicht und Gesten hätten auch Anmache
bedeuten können; Alpha begriff, daß sich die anderen im Raum wahrscheinlich einbildeten, sie würden miteinander flirten. Das war ihr eine Erleichterung. Denn alles war besser, als vor diesen Leuten, die für die nächsten beiden Wochen ihre ständigen Begleiter sein sollten, ihre Demütigung öffentlich werden zu lassen – sich als eine aus der Gnade gefallene Versagerin bloßstellen zu lassen, anstatt das Bild der erfolgreichen jungen Forscherin mit sozialem Engagement zu verbreiten, für die sie sich ausgab.
»Du hast Glück gehabt, mit fünf Jahren sozialem Dienst auf Bahati davonzukommen, nicht wahr?« bemerkte Polyon und streichelte dabei mit seiner freien Hand ihre Wange. »Ein Gemeiner müßte jetzt einsitzen. Und zwar hart sitzen. Wer weiß, Schönheit, vielleicht wärst du sogar auf Shemali geendet
– hättest Gelegenheit bekommen, das Ganglizid sozusagen aus erster Hand zu überprüfen. Was würden unsere unschuldigen kleinen Freunde hier doch darum geben, diese Geschichte zu hören?«
Doch er sprach noch immer mit leiser Stimme, den Kopf
teilweise von Fassa und Blaize und Darnell abgewandt, die sich in der gegenüberliegenden Ecke der Kabine
zusammengeschart hatten, wo sie nun tiefstes Interesse an einer Runde SPACED OUT heuchelten.
»Was… willst du?«
»Kooperation«, erwiderte Polyon. »Nur ein bißchen…
Kooperation.«
Blindlings, in einem Meer aus Luft ertrinkend, das ihr irgendwie nichts zum Atmen übrig ließ, drehte Alpha das Gesicht hoch, um Polyons geöffnete Lippen zu empfangen.
»Nicht diese Art von Kooperation«, erwiderte Polyon mit leisem Lachen, »noch nicht.« Seine Augen maßen sie in
kühlem Blick, der ihr mehr Furcht einjagte als je zuvor – und der sie gleichzeitig auch mehr erregte. »Vielleicht später, sofern du ein gutes Mädchen gewesen bist. Du warst ein bißchen zu hochnäsig, weißt du das, Alpha? Jetzt bist du so, wie ich meine Frauen liebe. Ruhig. Und respektvoll. Bleib so, dann brauchen wir keine… schmerzlichen Themen mit den
anderen zu besprechen. Komm mit und folge mir. Das ist alles, was ich von dir erwarte – vorläufig.«
Unterwürfig, den Kopf gesenkt, schwebte Alpha hinter
Polyon auf die drei SPACED-OUT-Spieler zu. Die taten
immer noch so, als seien sie völlig in das Spiel vertieft, aber sie war sich sicher, daß sie ihre Demütigung aufmerksam beobachtet hatten.
Sie würde es ihnen heimzahlen. Soviel war sicher, das
schwor sie sich. Fassa, Darnell, Blaize – sie würden alle noch lernen, sie nicht auszulachen.
Sie kam nicht einmal auf den Gedanken, Rache an Polyon zu üben.
Still übertrug Nancia die Aufnahme der Szene, deren Zeugin sie soeben geworden war, in ein Offline-Speicherhedron. Diese Bits in ihrem System zu haben gab ihr das Gefühl,
irgendwie… schmutzig zu sein. Als ob sie an Polyons sadistischen Spielen teilhätte.
Vielleicht hätte sie sich einmischen sollen. Aber wie – und wozu? Alpha war genauso schlimm wie Polyon, sogar noch schlimmer, wenn man nach dem ging, was er über ihre
nichtautorisierten medizinischen Experimente enthüllt hatte.
Die beiden hatten einander verdient. Blaize war der einzige in dem Haufen, mit dem sie sich gern unterhalten würde. Der kleine Rotschopf erinnerte sie an Flix – und anders als die anderen schien er nichts an sich zu haben, was nicht durch ein paar Jahre Befreiung vom Familiendruck hätte kuriert werden können.
Und was genau würdest du sagen, wenn du dich tatsächlich einmischen würdest? Nancia wußte
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