Raumschiff 2 - Nancia
keine Antwort auf ihre eigene Frage. Schließlich war sie ein Schiff im Kurierdienst, keine Diplomatin! Es stand ihr nicht an, sich in die
Angelegenheiten ihrer Passagiere einzumischen! Sie hätte einen Piloten an Bord haben müssen – einen erfahrenen Piloten –, um den häßlichen Szenen wie jener, die sie soeben mitbekommen hatte, ein Ende zu setzen, um dafür zu sorgen, daß diese verwöhnten jungen Passagiere bei Laune blieben und sich während der zweiwöchigen Reise nicht gegenseitig an die Gurgel gingen. Das ist ungerecht! Ausgerechnet auf meiner allerersten Reise!
Doch es war niemand da, der ihre Klagen hätte vernehmen können. Sie waren immer noch fünf Tage von der Singularität entfernt, von der Dekomposition in den Subraum von Wega.
Wenigstens kann ich die Beweisaufnahme weiterhin
angeschaltet lassen, dachte Nancia grimmig. Falls eins dieser kleinen verwöhnten Bälger das andere über die Klippe stoßen sollte, gibt es dann wenigstens reichlich Datahedra, die zeigen werden, was wirklich passiert ist. Doch im Augenblick schienen die fünf Passagiere noch einigermaßen miteinander auszukommen. Vielleicht hatten seine sadistischen Spiele mit Alpha Polyons Bedürfnis nach Herrschaft und Kontrolle für den Augenblick gesättigt; er hatte ein Spielicon gewählt und schien in dieses dämliche Rollenspiel vertieft zu sein. Nancia entspannte sich… ließ die Aufzeichnungsgeräte aber
weiterlaufen.
KAPITEL 4
»Weshalb komme ich nur nicht an dem Flügeldrachen der
Weisheit vorbei?« jammerte Darnell. Er hatte sich wieder Knochenbrecher ausgesucht, doch sein machtbeladenes
Spielicon befand sich nunmehr in eine Ecke gedrängt, wo ihn bei jedem Versuch einer Bewegung eine geflügelte Schlange bedrohte.
»Du hättest für Knochenbrecher im Laden für Spirituelle Erleuchtung etwas Intelligenz kaufen sollen«, bemerkte Polyon. Seine Finger huschten achtlos über den Schirm, als er sprach, und ließen Dingsbums den Marsmagier am
Nachthimmel über dem Asteroiden 66 ein scheinbar nutzloses Netz spinnen.
»Ich wußte überhaupt nicht, daß man dort Intelligenz kaufen kann.« Darnell schob die Unterlippe zu einem eindeutigen Schmollen vor. »Das stand nicht im Regelbuch.«
»Es stehen auch eine ganze Menge andere Dinge nicht im Regelbuch«, bemerkte Polyon, »einschließlich des größten Teils dessen, was man wissen muß, um zu überleben. Und Information ist stets käuflich… sofern du den richtigen Preis kennst. Alles – von den Geheimnissen der Singularität bis zum Ursprung der Planetennamen.«
»Ach so. Enzyklopädien. Bibliotheken. Jeder kann sich die Galaktische Datenquelle auf Schnellhedra kaufen«, jammerte Darnell. »Aber wer hat schon die Zeit, diesen ganzen Mist zu lesen?«
»Der Preis für bestimmte Arten von Information«, ergänzte Polyon, »ist höher als die Kosten für ein Buch und die Zeit, es zu lesen. Ich könnte dir zwar die Gesetze der
Singularitätsmathematik ausdrucken, aber du hast nicht den Preis dafür bezahlt, sie auch zu verstehen – die Jahre der Raumtransformationsalgebra und die Intelligenz, die Theorien in der Mehrfachdimensionalität weiterzuentwickeln.«
»Ach, komm schon«, sagte Blaize herausfordernd. »So
kompliziert ist das gar nicht. Selbst ich kenne Bajkowskijs Theorem.«
»Ein Kontinuum C gilt als örtlich in M verkleinerbar, wenn für jedes Epsilon, das größer ist als Null, und jede offene Menge D, die C enthält, ein Homeomorphismus h von M auf M, C in eine Menge mit einem Durchmesser kleiner als
Epsilon führt und der die Identität von M zu D darstellt«, rezitierte Polyon schnell. »Und das ist auch kein Theorem, es ist eine Definition.«
Nancia verfolgte die Diskussion schweigend mit mildem
Interesse. Die Mathematik der Singularitäten war ihr zwar nichts Neues, doch solange ihre Gören von Passagieren sich über Mathematik unterhielten, versuchten sie wenigstens nicht, einander in den Wahnsinn zu treiben. Und sie war auch
hinreichend beeindruckt davon, daß Polyon genügend
Singularitätstheorie behalten hatte, um Bajkowskijs Definition aus dem Gedächtnis zitieren zu können. Während der
Ausbildung hatte unter den Gehirn-Schiffen das Gerücht kursiert, daß keine Normalperson wirklich multidimensionale Dekompositionen begreifen konnte.
»Die wirkliche Grundlage der Dekomtheorie«, belehrte
Polyon sein Publikum, »liegt in dem, was auf diese Definition folgt. Nämlich Zerlions Lemma: daß unser Universum als eine Ansammlung lokal
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