Raumschiff 2 - Nancia
Augen hatten einen wissenden Blick.
»Du… mußtest deine Forschungsarbeit ziemlich plötzlich abbrechen, nicht wahr?«
Stumm verwünschte Alpha alle sich einmischenden,
tratschenden alten Verwandten und Freunde. Egal. »Ein echter Jammer«, seufzte sie. »Ich hatte gerade damit begonnen, mich mit den interessantesten Fällen zu beschäftigen. Du weißt schon, wenn das Ganglizid zum Gas wird, greift es die Nerven und Gehirnsynapsen an. Es wirkt auf sie genauso wie auf die Haut. Wir haben einen wirklich faszinierenden Fall seziert, übrigens einen Vorarbeiter aus Shemali. Sein Kopfinneres sah aus wie ein feuchter blauer Schwamm. In diesem Zustand war er natürlich bereits viel zu fortgeschritten, um noch zu wissen oder sich auch nur darum zu sorgen, was mit ihm geschah.
Eigentlich war das auch sein Glück. Nicht daß wir jemals erfahren werden, wie lange er Schmerzen hatte. Das Ganglizid greift nämlich sofort die Schmerzrezeptoren an, mußt du wissen, und wir können diesen Effekt auch nicht mit
Pharmazeutika blockieren. Gegen Ende hat er nur noch
ununterbrochen geschrien. Wie ein Tier, das unter der Folter stirbt.« Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und musterte Polyon. Der stand völlig still da, während er mit zwei Fingern auf den hinter ihm liegenden Befehlspaneel einen nervösen Marsch hämmerte. Der Tanz seiner Fingerspitzen auf den empfindlichen Druckbrettern ließ das SPACED-OUT-Bild an der gegenüberliegenden Seite des Raums ruckartig vor-und zurückwackeln, so daß es abwechselnd Bilder vom Tiefenraum und von einem flammenden Labyrinth zeigte, in dem
geschmolzene Lava die glücklosen Spieler-Icons bedrohte.
»Wenn du schön nett zu mir bist«, fügte Alpha hinzu,
»verspreche ich dir, dich umzubringen, bevor das Ganglizid dir das Gehirn wegfrißt. Kein Mensch sollte auf eine solche Weise sterben müssen.«
»Oh, ich werde schon sehr nett zu dir sein«, antwortete Polyon. Seine Stimme klang immer noch gelassen; er stieß sich mit zwei Fingern vom Befehlspaneel ab und schwebte durch den Raum. Als er näher kam, erkannte Alpha den Blick in seinen Augen. Nicht verängstigt. Wachsam. Wie ein Jäger, der darauf wartete, daß seine Beute aus der Deckung brach. Und als er den Arm ausstreckte, um ihr Handgelenk mit kräftigen, derben Fingern zu umschließen, veränderte sich der Blick in ein triumphierendes Leuchten. »Ich denke, wir können sogar sehr nett zueinander sein, wunderschöne Alpha. Es ist wirklich sehr freundlich von dir, dich so für meine Karriere zu interessieren.« Mit den letzten Worten veränderte sich seine Stimme, wurde höhnisch, klang bösartig amüsiert. »Aber genug von mir. Warum erzählst du nicht zur Abwechslung einmal etwas über dich?« Er deutete auf Darnell und Fassa, die gerade durch die offene Luke schwebten, um sich zu ihnen zu gesellen. »Wir würden doch alle gern etwas über deine
abgebrochene Forschungsarbeit hören. Und darüber, weshalb eine der vielversprechendsten jungen Medizinalforscherinnen sich dazu entscheiden sollte, fünf Jahre ihres Lebens einer obskuren Klinik auf Bahati zu opfern. Wirklich, du bist viel zu bescheiden, Alpha.«
Alpha warf den Kopf zurück und versuchte sich von Polyon loszureißen, doch er war zu kräftig für sie. »Da gibt es wirklich nicht viel zu erzählen. Ich war müde – wollte mal einen Tapetenwechsel. Das war alles.«
»Tatsächlich?« murmelte Polyon. »Komisch. So, wie ich es gehört habe, waren es doch wohl eher andere Leute, die dir einen Tapetenwechsel aufbrummen wollten. Die
Nachrichtenkritzler haben die Story ja nie breitgetreten, nicht wahr? Geht ja auch nicht an, die gemeinen Massen mit
Skandalen über ein Mädchen aus den Hochfamilien zu
unterhalten. Aber ich könnte mir schon vorstellen, daß unsere Freunde hier an Bord die Geschichte wirklich sehr unterhaltsam fänden.«
Alpha starrte Polyon an, suchte nach einem Anflug von
Mitgefühl in den scharf geschnittenen Flächen seines Gesichts und den eisblauen Augen, die ihr noch kurz zuvor so attraktiv erschienen waren. »Ich habe nichts getan, dessen ich mich schämen müßte«, flüsterte sie. »Die Tradition
wissenschaftlichen Experimentierens…«
»… umfaßt nicht das Austesten von Ganglizid an nichtsahnenden Versuchspersonen.« Seine Stimme war so
leise, daß die anderen ihn nicht verstehen konnten.
»Sozialfälle«, verteidigte sich Alpha. »Penner. Manche von denen waren bereits so blisstogeschädigt, daß sie nicht einmal gemerkt haben,
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