Raumschiff 4 - Channa
du?«
»Chronologisch gesprochen«, bemerkte Simeon, »bist du
selbst noch ein Kind.«
Joat lachte mit mehr als einer bloßen Spur Verbitterung; es klang wie ein japsender Kojote. »Hatte nie Zeit oder
Gelegenheit, eins zu sein. Da ist es ein bißchen spät, von mir zu erwarten, daß ich mich wie eins benehme.«
Schweigen legte sich über das improvisierte Nest an der Schachtkreuzung, doch das Mädchen vernahm das allerleiseste Seufzen des Bedauerns, das Simeon von sich gab.
Softy, dachte sie in wehmütiger Zuneigung. Selbst wenn er…
wie hieß das Lied doch noch? Dosenfleisch? Netter Typ, entschied sie. Er braucht jemanden, der sich um ihn kümmert.
Außer Channa Hap. Channa mochte vielleicht sein Partner sein, aber gestern schien sie sich um jeden anderen gekümmert zu haben, nur nicht um ihn.
»Ja, Seld ist kein übler Junge. Kennt sich auch auf der Tastatur aus. Kann aber überhaupt nicht kämpfen.«
»Er sagt, daß sie dich auf der Schule vermissen«, erwiderte Simeon neutral.
Joat stieß ein zweites bitteres Lachen aus. »Diese Drecksau Louise Koprekni bestimmt nicht.«
»Ihr Gesicht in die Toilettenschüssel zu schieben, war schon etwas extrem, findest du nicht, Joat?«
»Sie hat gesagt, daß ich rieche.«
»Du hast auch gerochen. Damals! Das war ungefähr der
Zeitpunkt, als du zu dem Schluß gelangt bist, daß regelmäßiges Waschen vielleicht doch keine so verrückte Idee ist.«
Joat schob die Unterlippe vor und wandte sich wieder ihrer Tastatur und der Anhäufung verschiedensten elektronischen Mülls zu, den Simeon zu gern identifiziert hätte.
»Was baust du denn da zusammen?« fragte Simeon.
»Einen Platzer.«
»Darf ich fragen, was ein Platzer ist?« Will ich es eigentlich wirklich wissen?
»Ultraschall. Läßt die Korken knallen.« Auf Simeons
fragendes Geräusch hin erklärte sie es ihm. »Bringt die Kapillargefäße zum Platzen, wie ein wirklich schlimmer Sonnenbrand.«
»Was tut es?« Dann modifizierte er seinen Tonfall wieder mehr in Richtung Konversation. »Wir haben nicht vorgehabt, dich mit Gewalt dort herauszuzerren, weißt du.«
»Das habe ich auch nicht geglaubt.«
»Du hast ihn doch wohl… äh… noch nicht ausprobiert,
oder?«
»Noch nicht.«
»Wie willst du dann wissen, ob er funktioniert?«
»Das wird er!« Die Zuversicht in dieser Antwort war
entnervend.
»Ist er…«
»Bringt niemanden um, aber danach überlegt es sich jeder zweimal, mich zu verfolgen.«
»Ah, verstehe.«
Simeons Optiksensoren konnten gerade noch ein Grinsen
auffangen, als Joat sich wieder über ihr Werk beugte.
»Manches«, sagte sie kryptisch.
Wieder Schweigen. Die Gespräche mit Joat erinnerten
Simeon an Dokumentarfilme, die er mal gesehen hatte, in denen es darum ging, Forellen mit der Hand zu fangen. Wenn man damit Erfolg haben wollte, mußte man äußerst geduldig vorgehen.
»Sieht so aus, als wäre Ärger im Anmarsch«, sagte sie in neutralem Ton.
»Der Ärger ist vorbei«, widersprach Simeon. »Hör mal, Joat, ich möchte mich entschuldigen, weil ich während des Alarms gestern nicht nach dir gesehen habe, aber…«
»Nicht nötig. Du hast mir schließlich einen Raumanzug
gegeben. Mehr brauchte ich nicht«, versetzte Joat vernünftig.
»Wenn etwas dich bedroht, die Station, stecken wir alle bis zum Kinn drin. Richtig? Besser, du bringst deine Zeit damit zu, uns davor zu bewahren, so tief hineinzugeraten, daß wir nur noch mit der Schaufel hinauskommen.«
»Du hast ja eine extrem realistische Einstellung, Joat«, sagte Simeon mit einem gewissen Ton der Bewunderung für jene Selbständigkeit, die ihm zugleich soviel Sorgen bereitete.
»Bin kein Blödmann«, verkündete Joat befriedigt. »Und
Ärger kommt auch nicht allein – auch nicht zu zweit. Den kriegt man gleich kilobyteweise. Ich bin bereit.« Sie tätschelte den Platzer.
»Da bin ich mir sicher«, erwiderte Simeon beruhigend.
»Bis zum Abendessen.«
»Abendessen?« Er klang überrascht, aber das erfreute sie.
»Ja, bis dann«, fügte er hinzu, und es gelang ihm ganz gut, beiläufig zu klingen.
Joat pfiff tonlos vor sich hin, als sie spürte, wie sich Simeons Aufmerksamkeit zurückzog – jedenfalls zum größten Teil. Sie schaltete auch den Generator für weißes Rauschen ein, ebenso den Verzerrer, den sie sich gebaut hatte. Sie war sich zwar nicht mehr völlig sicher, daß sie noch funktionierten, nachdem Simeon ihre Geräte ausreichend hatte begutachten können, um sie vielleicht zu neutralisieren. Nicht
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