Raumschiff 5 - Carialle
sein.
Bestimmt könnte der Zauberer das eine oder andere Stück entbehren.
Brannel richtete seine Aufmerksamkeit auf ein flachgepreßtes Ovoid aus schimmerndem Weiß von der Größe seiner Hand, das unter einem Regal aus großen, steifen, offenbar aus Holz bestehenden Quadraten auf einem schmalen Brett lag. Schon ein flüchtiger Blick auf das weiße Ding offenbarte ihm, daß es die fünf Eindrücke eines Kraftgegenstands auf seiner Oberfläche aufwies. Sein Atem ging schneller, und er griff danach, um es aufzunehmen.
»Nein!« sagte die Stimme. »Das ist meine Palette.« Eine Hand aus schwarzem Metall schoß aus der Wand hervor und schlug Brannel auf das Handgelenk. Verblüfft ließ er das weiße Ding fallen. Bevor es den Boden erreicht hatte, sprang eine weitere Hand aus der Wand und fing es auf. Brannel wich zurück, als die untere Hand das weiße Ding an die obere weiterreichte, die es danach wieder ins Regal zurücklegte.
Nachdem seine ursprüngliche Absicht vereitelt worden war, hielt Brannel nun Ausschau nach einem anderen beweglichen Gegenstand. Mit gewinnendstem Lächeln zeigte er seine langen Zähne und überlegte, wo sich der unsichtbare
Beobachter verstecken mochte. Dabei bewegte er sich
zielstrebig auf ein anderes kleines Ding zu, das auf einem mit funkelnden Lichtern geschmückten Tisch lag. Wie von allein hob sich seine Hand und griff danach.
»Nein, das wirst du nicht tun«, sagte Carialle entschieden und erschreckte ihn damit so sehr, daß er Keffs Pedometer wieder auf die Konsole fallen ließ. Sie sah, wie sein Kopf herumfuhr, als er festzustellen versuchte, wo sie sich befinden mochte.
»Hat dir denn niemand beigebracht, daß Ladendiebstahl verboten ist?«
Er wich zurück, die Hände gut sichtbar auf den Rücken gelegt.
»Von allein willst du also nicht gehen, wie?« fragte Carialle.
»Dann muß ich wohl ein bißchen nachhelfen?«
Beginnend an der gegenüberliegenden Seite der Hauptkabine, erzeugte Carialle komplizierte, dissonante Töne, die für Humanoidenohren garantiert schmerzhaft waren.
Der Mann ging in die Knie, die Hände auf die Ohren gepreßt, das Schafsgesicht im Krampf verzerrt. Carialle fuhr die Lautstärke höher und begann zielstrebig mit ihrem Lärm die Strecke bis zur Luftschleuse zu bestreichen. Der protestierende Brannel wurde stolpernd und kriechend auf die Rampe
hinausgetrieben. Kaum hatte Carialle den Lärm abgestellt, als Brannel sich prompt wieder auf dem Absatz umdrehte und erneut versuchte, hereinzustürmen. Sie ließ einen lauten Knall wie von tausend Bienenstöcken ertönen und die Luke vor seiner Nase zugleiten, bevor er die Schwelle überqueren konnte.
»Manche Leute haben aber auch ein Sitzfleisch!« knurrte Carialle, während sie zwei Servomechanismen abbeorderte, Keff Erste Hilfe zu leisten.
Nachdem er von den spitzen Tönen ins Freie hinausgetrieben war, eilte Brannel von der fliegenden Burg fort und überquerte den Hügel. Auf der gegenüberliegenden Ackerseite kauerten die anderen mit wedelnden Armen in lärmender
Ratsversammlung; vermutlich sprachen sie über den fremden Zauberer. Niemand beachtete Brannel, und das war auch gut so. Er hatte viel Stoff zum Nachdenken und war hungrig. Er war gezwungen gewesen, etwas von dem einschläfernden Essen zu sich zu nehmen. Er hoffte nur, daß es nicht genug gewesen war, um ihn alles vergessen zu machen, was er an diesem Tag erfahren hatte.
Als er einmal in seiner Jugend krank geworden war und unter Fieber, Brechreiz und Kopfschmerzen gelitten hatte, war er unfähig gewesen, etwas von der Nahrung zu sich zu nehmen, die die Gebieter ihnen zur Verfügung stellten. In jener Nacht hatten seine Eltern sich darüber gestritten, ob sie Klemay um ärztliche Hilfe angehen sollten oder nicht. Brannels Mutter hatte geglaubt, daß eine derartige Bitte wohlwollend aufgenommen werden würde; denn Brannel sei ein stämmiger Bursche und würde eines Tages zu einem kräftigen Arbeiter werden. Sein Vater dagegen wollte nicht um Hilfe bitten. Er befürchtete Bestrafung, wenn er einen der Hochgestellten ansprach. Brannel hatte das Gespräch belauscht und sich gefragt, ob er wohl sterben würde.
Am Morgen war Klemays schwebendes Auge
vorbeigekommen, um das Tagewerk zu überwachen. Doch
Brannels Mutter lief keineswegs hinaus, um sich vor ihm niederzuwerfen. Obwohl es Brannel noch nicht besser ging, schien seine Mutter die Dringlichkeit ihres Hilfsgesuchs völlig vergessen zu haben. In Felle eingehüllt legte sie Brannel an
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