Raumschiff 5 - Carialle
sein, wobei sie ihn gleichzeitig bewachten. Sie waren seine Augen im Hinterkopf, wenn auch keine tatsächlichen, fleischlichen Augen, wie Plennafrey sie sich als Kind immer vorgestellt hatte. Willkürlich im großen Saal verteilt schwebten die reicher verzierten Kugeln der Zauberer und Zauberinnen. In der dunkelsten Ecke schwebte die Kugel des düsteren
Zauberers Howet. Hoch über allen anderen war das Spähauge von Asedow zu erkennen, wie es verächtlich auf alle anderen herabblickte. Iranikas rote Kugel schwebte in der Nähe des riesigen, geöffneten Fensters, das auf den Gebirgszug hinausblickte; es schien, als würde sie den Ausführungen des Hochhexers keine Aufmerksamkeit zollen. Unmittelbar vor Nokias, auf Augenhöhe, schwebte das in metallischem
Goldrosa schimmernde Auge von Potria, einer ehrgeizigen und gefährlichen Betörerin. Als würde es Plennafreys Blick spüren, richtete sich Potrias Spähauge auf sie, und Plennafrey lenkte ihres gerade noch rechtzeitig auf den Hochhexer Nokias, bevor die mystische Öffnung sich auf sie heftete.
Zu Hause, im Schutz ihrer viele Klicks entfernten Festung, spürte Plenna, wie ihre Wangen sich röteten. Es wäre nicht gut, Aufmerksamkeit zu erregen, und selbst ihre Unerfahrenheit würde keinen Akt eklatanter Unhöflichkeit entschuldigen. Auf solche Weise kamen Zauberer schließlich zu Tode.
Sicherheitshalber verstärkte sie den Druck ihrer Finger auf die fünf Mulden in ihrer Gürtelschnalle, ihrem persönlichen Gegenstand der Kraft, und begann damit, das netzartige Gespinst eines Zauberer daraus hervorzuholen, der sie sowohl schützen als auch jeden töten würde, der seine Grenzen zu übertreten versuchte, wobei er zugleich eine Aura der Unterwürfigkeit und Bescheidenheit erzeugte. Sie verfügte über ebenso große magische Schutzmittel wie alle anderen; ihre einzige Schwäche war ihr Mangel an Erfahrung.
Plennafrey war die jüngste unter den Zauberern und
Zauberinnen, die einzige Überlebende ihrer Familie. Erst vor zwei Jahren hatte sie den Platz ihres Vaters eingenommen.
Potria schien glücklicherweise nicht verärgert zu sein; das goldrosa Spähauge drehte sich in der Luft, um nacheinander seine Artgenossen zu begutachten. Plenna richtete ihr eigenes blaugrünes Auge so aus, daß es möglichst unauffällig schweben blieb und keine Aufmerksamkeit erregte; dann senkte sie den Schutzzauber und beließ ihn unaktiviert, aber einsatzbereit.
»Wir sollten jetzt dazu übergehen, Klemays Festung zu übernehmen«, verkündete Potrias mentale Stimme. Sie war so melodisch wie ein Hornstoß, von einem kräftigen, tiefen Klang, der von geheimnisvoller Kraft widerhallte. An den Wänden vibrierten leise die mystischen Kunstwerke der Ahnen und setzten die Muster in ihren tiefgeschnitzten Rahmen in Bewegung.
»Erst die Ratsbesprechung, Dame Potria«, sagte Nokias in mildem Tonfall. Er war ein hagerer, rotgesichtiger Mann, nicht so hochgewachsen wie Plennafreys verstorbener Vater, aber mit größeren Händen und Füßen, die im Vergleich zu seiner kleinen Statur überproportioniert wirkten. Seine hellbraunen Augen mit dem staunenden, unschuldigen Blick täuschten über den scharfen Verstand hinweg, der dahinter arbeitete. Er schnippte mit den langen Fingern, worauf ein Diener mit einem Tablett vor ihm erschien. Das Fellgesicht kniete zu Nokias’ Füßen nieder und füllte den prächtigen Kelch mit perlendem grünen Wein. Der Hochhexer des Südens schien die Flüssigkeit zu studieren, als suchte er in ihrem smaragdgrünen Funkeln nach Rat. »Mein guter Bruder im Osten, Ferngal, hat auch einen Anspruch auf Klemays Anwesen. Schließlich war es sein Streit mit unserem verstorbenen Bruder, der dazu führte, daß sein Besitz… verfügbar wurde.«
Schweigen breitete sich im Raum aus, während die Zauberer über die Lage nachdachten.
»Klemays Reich liegt an der Grenze zwischen Ost und Süd«, sagte Asedows Stimme aus der metallblauen Kugel. »Es gehört weder Ferngal noch uns, bis jemand es beansprucht“. Stellen wir sicher, daß wir dies erfolgreich tun!«
»Hoffst du etwa auf schnelle Beförderung, indem du das Führungsrecht solcherart in die Hand nehmen willst?« fragte Nokias in mildem Tadel, stellte den halbleeren Kelch ab und klopfte mit einer Hand gegen den Boden des Gefäßes. Unter einigen Zauberern breitete sich mentales Gemurmel aus.
Plenna wußte, genau wie die anderen, wie ehrgeizig Asedow war. Der Mann war jedoch noch nicht kühn oder stark genug, Nokias um
Weitere Kostenlose Bücher