Raumschiff 5 - Carialle
Echte Magie dürfte keiner Kraft oder Energie bedürfen!
Ganz bestimmt nicht der Art von Energie, vielleicht, aber keine vom Typ Batterie-Generator. Aber genau das ist es, was hier durch die elektromagnetischen Linien in der Luft hereinkommt.«
»Na ja, es gibt schließlich nicht nur die Evokation der Kraft, sondern auch ihre Invokation, bei der man sie in sich selbst hineinruft«, erwiderte Keff bei dem Versuch, sich an die Formulierungen im Regelwerk von Mythen & Legenden zu erinnern.
Carialle schien seine Gedanken gelesen zu haben. »Sprich bloß nicht von Spielen! Das hier ist das wirkliche Leben. Das ist keine Zauberei. Aha! Da ist er ja schon – der Beweis!«
Keff blickte auf. Chaumel verbeugte sich gerade vor etwas, das auf Augenhöhe vor ihm schwebte, einer Art Kasten. Der Gegenstand verschob seine Position ein wenig, bis die abgeflachte Seite, die zuvor auf Chaumel gezeigt hatte, auf Keff deutete. Hinter einer Glasplatte war ein Männergesicht zu erkennen, dunkelhäutig und älter als Methusalem. Die runzeligen Augenlider zogen sich zusammen, als der Mann Keff eindringlich musterte.
»Siehst du? Das ist ein Monitor«, fuhr Carialle fort. »Eine Kommunikationseinheit. Das ist ein Gerät, keine Zauberei.
Nichts, was aus der Person des Benutzers selbst
heraufbeschworen wurde. Er überträgt damit sein Abbild.
Wahrscheinlich, weil er zu schwach ist, um persönlich herzukommen.«
»Vielleicht ist der Kasten ja nur ein Relikt aus alter Zeit«, wandte Keff ein, aber wußte genau, daß seine Theorie auf recht wackligen Beinen stand. »Und schau mal, er hat auch keine Energiezuleitung.«
»Man braucht kein Kabel, um Energie zu übertragen, Keff, das weißt du doch genau! Selbst Chaumel zaubert das Essen nicht einfach herbei. Er ruft es irgendwo ab. Wahrscheinlich aus die Tiefen des Verlieses, wo vermutlich eine Heerschar zottelgesichtiger Köche sich gerade krummschuftet, während pelzige Mundschenke den Wein dekantieren. Ich finde, er führt sich auf wie das Teleportergegenstück zu einem Oberkellner.«
»Na schön, ich geb’ ja zu, daß sie vielleicht auch Techniker sein könnten. Aber im Augenblick möchte ich viel lieber wissen, was die sich eigentlich von uns versprechen, daß sie sich solche Mühe geben, uns hier festzusetzen.«
»Wir sehen – ich jedenfalls – nach einem überlegenen technischen Gerät aus. Deine Freundin und ihr grüner Laufbursche wollen nur nicht, daß ihnen etwas so Großes durch die Lappen geht. Die Habgier beschränkt sich übrigens nicht nur auf die beiden. Mindestens achtzig Prozent der Leute hier leiden gerade unter höherer Atmungsfrequenz und gesteigertem Puls, sobald sie dich und den IÜP-Kasten anschauen und somit indirekt auch mich. Das ist wirklich obszön!«
Chaumel streifte durch den Saal wie ein Zephyr, entschärfte hier einige Streitgespräche und drängte dort Leute dazu, Platz zu nehmen, um sich auf die Mahlzeit vorzubereiten. Keff bewunderte Chaumels Art, sich mit leichter Hand um jede noch so geringfügige Einzelheit zu kümmern. Ruheliegen mit daran befestigten Tischen erschienen aus dem Äther. Die Gäste ergossen sich über die Samtdecken, worauf die Tische von selbst die passende Entfernung einrichteten. Mitten im Schritt verschwanden plötzlich die Diener mit ihren Häppchen, und mit ihnen die Überreste des Hors d’œuvres. Auf jedem Tisch erschienen Tischdecken, Tafelsilber und durchschimmerndes Geschirr, gefolgt von einem, dann zwei, schließlich drei funkelnden Kristallkelchen unterschiedlichster Art. Weiße, bestickte Servietten entfalteten sich und legten sich jedermann über den Schoß.
Irgend etwas traf Keff voll im Bauch, so daß er
zusammenklappte. Ein gepolsterter Sitz fing ihn auf, hob ihn hoch und führte ihn einige Meter weit mitten in den Kreis der Zauberleute, während sich das Tablett vor seiner Körpermitte fest an die andere Sessellehne quetschte. Unter seinen Füßen streckte sich ein breiter Träger aus, um ihn zu stützen. Eine Serviette plusterte sich auf und legte sich wie Schwanendaunen auf seine Oberschenkel.
»Oh, ich habe aber gar keinen Hunger«, sagte er, an
niemanden im besonderen gewandt. Doch der unsichtbare Oberkellner mißachtete Keffs Protest. Geschirr und Kristall wurden aufgedeckt, dazu eine kleine Fingerschale auf einem Wägelchen. Keff nahm einen der Kelche auf, um ihn zu untersuchen. Obwohl das Glas oblatendünn war, war es mit arabesken Ornamenten und raffiniert ineinandergreifenden Diamanten
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