Raumschiff 5 - Carialle
eine Sonne kreist.«
»Das ist unmöglich.«
Keff wurde um eine halbe Drehung herumgerissen, bis er sich Nase an Nase vor einer Frau in Braun mit nachtschwarzen Augen wiederfand.
»Es gibt keine anderen Sonnen. Nur unsere.«
Keff machte den Mund auf, um etwas zu erwidern, doch bevor er es aussprechen konnte, fuhr sein Sessel wieder herum.
»Schenk Lacia keine Beachtung. Sie ist eine Revisionistin«, sagte Ferngal. Seine Stimme klang freundlich, doch seine Augen wirkten wie tote Scheiben aus dunkelblauem Schiefer.
»Erzähl mir mehr von diesem Stern. Wie heißt er?«
»Calonia«, sagte Keff.
»Jetzt sind sie auch nicht klüger«, meinte Carialle.
»Jetzt sind wir auch nicht klüger«, wiederholte Chaumel und ließ Keffs Sitz in der Horizontalen einen Dreiviertelkreis gegen den Uhrzeigersinn drehen. »Wie weit ist er von hier entfernt, und wie lange hast du gebraucht, um hierherzukommen?« Keff wollte Chaumel gerade antworten, da verschwand der silberne Zaubermann plötzlich wieder.
»Welche Kraft hat dein Volk?« fragte Asedow. Wusch!
»Wie viele seid ihr?« wollte Zolaika wissen. Ein harter Ruck, Gegendrehung.
»Warum bist du hergekommen?« fragte ein dicklicher Mann in hellem Gelb. Ein verschwommener Fleck.
»Was suchst du auf Ozran?« fragte Nokias. Keff wollte eine Antwort hervorpressen.
»Nicht…« Kurzer Ruck zur Seite.
»Wie bist du in den Besitz des Silberturms gelangt?«
erkundigte sich Potria.
»Das ist mein Sch…« Zwei heftige Halbdrehungen in
entgegengesetzte Richtungen, bis er sich schließlich einem schwankenden, schaukelnden Abbild Ferngals gegenübersah.
»Werden noch mehr von deinem Volk kommen?« vernahm
Keff. Sein Magen hatte sich mittlerweile auf den Marsch in Richtung Speiseröhre begeben.
»Ich…«, fing er an, aber da verschob sich sein Sessel schon wieder, diesmal auf ein Zwillingsbild Ilnirs zu, der ihm mit heiserer Stimme irgend etwas vorplapperte, das aber vom Gebrüll in seinen Ohren übertönt wurde.
»He!« protestierte Keff schwach.
»Die Gräßliche Belagerung, Sir Galahad«, ulkte Carialle.
»Sei stark, sei entschlossen, sei kühn, edler Recke!«
»Mir… dreht sich langsam… der Magen um«, erwiderte Keff subvokal. »Selbst die Fliegerausbildung… war nicht so schlimm! Ich fühle mich wie… ausgekaut.« Der Sessel drehte sich von Ilnir ab. Eine verschwommene Gestalt in Primelgelb setzte sich in seinem Augenwinkel etwas auf.
Neben Keffs Hand erschien ein kleines Glas. Es war mit einer blaßgrünen, funkelnden Flüssigkeit gefüllt. Plötzlich konnte Keff wieder scharf sehen. War das etwa der nächste Gifttrunk?
Der silberne Fleck, als den Chaumel sich darstellte, warf einen mißtrauischen Blick auf das große Mädchen; dann nickte er Keff zu. Der Muskel wollte gerade von dem reich verzierten Glas nippen, als zwei weitere Vorkoster plötzlich umkippten und ihre Gläser klirrend zu Boden fielen. Prompt erschienen zwei neue Diener, ebenfalls vierfingrige Fellgesichter. Keff musterte das Glas argwöhnisch.
»Was soll ich tun, Cari? Kann ich das Zeug trinken?«
»Das ist ein Medikament gegen Schwindelanfälle«, meldete Carialle nach einer schnellen Spektralanalyse.
Hastig stürzte Keff die grüne Flüssigkeit herunter, bevor man ihn wieder in Drehung versetzen konnte. Sie schmeckte angenehm nach Minze und wärmte leicht den Magen. Fast im selben Augenblick fühlte Keff sich schon sehr viel besser und sah sich imstande, die Tortur zu überstehen. Als er beim nächstenmal an dem hübschen Mädchen vorbeiwirbelte,
zwinkerte er ihr zu. Sie antwortete ihm mit einem zaghaften Lächeln.
Die Gräßliche Belagerung wurde für einen Augenblick
unterbrochen, und Keff bemerkte, daß sein Suppenteller verschwunden war. An seiner Stelle standen nun ein
sichelförmiger Obstkorb und ein Salatteller. Seine
Mitspeisenden wurden ebenfalls mit dem nächsten Gang beglückt. Einige winkten ihn mit gelangweilter Miene beiseite, worauf man ihnen sofort hohe, schlanke Porzellanschalen mit einem Salzrand servierte. Bevor Keff wieder davonwirbelte, sah er noch, wie Zolaika etwas daraus hervorholte und ein bösartig aussehendes Schalentier in Stücke riß.
»Bäh«, machte Keff. »Auf den Fischgang kann ich dankend verzichten.«
Dank des Heilgetränks der jungen Frau fühlte er sich wieder dazu in der Lage, etwas zu essen. So nahm er, während er zugleich versuchte, die Fragen der Zauberleute zu
beantworten, ein kleines Stück Obst nach dem anderen zu sich.
Carialle
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