Raumschiff 5 - Carialle
den
ranghöchsten Zauberern nicht den Zugang verwehren, wenn sie schon beschließen, meinem bescheidenen Heim für einen Abend ihren Besuch abzustatten. Man erklimmt die Leiter durch Macht… (Macht-Spiele, schlug das IÜP vor)
gehandhabt, wie es in den von unseren Vorfahren ererbten Anleitungen steht. Solcherlei Macht-Spiele bestimmen die eigene Höhe (Position in der Rangordnung, flüsterte das IÜP).
Ebenso durch Tod. Darin sind sie äußerst geschickt.«
»Tod?« wiederholte Keff. »Meinst du damit, daß hier alle um eine Stufe aufsteigen, wenn jemand stirbt?«
»Ja, aber auch, wenn jemand einen anderen totmacht«, sagte Chaumel mit beunruhigtem Blick auf die Hochhexer. Keff fielen beinahe die Augen aus dem Kopf.
»Du meinst, ihr steigt auf, wenn ihr jemanden umbringt?«
»Klingt mir ganz nach der Beförderungspolitik in den Raumdiensten«, meinte Carialle zu Keff.
»Nein, nicht dadurch allein, sondern indem man von diesem mehr Geheimnisse und magische Gegenstände und mehr
erlangt. Aber Ferngal vom Osten hat soeben, äh,
fortgeworfen…«
»Entsorgt«, warf Carialle ein.
»… den Zauberer Klemay in einem Duell. Dadurch steht er jetzt höher als der Zauberer Nokias vom Süden. Ich muß diesen Statuswechsel reibungslos umsetzen, obwohl«, sein Gesicht nahm einen Ausdruck übertriebener Tragik an, »es mich schmerzt, mitansehen zu müssen, in welche Verlegenheit es meinen Freund Nokias bringt. Wir versuchen, alles harmonisch zu regeln.«
Keff dachte bei sich, daß Chaumel in Wirklichkeit gar nicht so furchtbar unbehaglich aussah. Es schien vielmehr so, als würde er die mißliche Lage des Zauberers des Südens
genießen.
»Das ist eine bösartige Brut hier. Denen geht es die ganze Zeit nur darum, den anderen eins auszuwischen«, bemerkte Carialle. »Das einzige, was hier Harmonie herstellt, sind die farblich abgestimmten Klamotten und Schwebesessel. Ist dir das mal aufgefallen? Hier hat jeder seine eigene Totemfarbe.
Ich würde wirklich gern mal wissen, ob sie die erben, sich verdienen oder frei wählen.« Ihr Kichern ertönte in Keffs Ohr.
»Und was passiert eigentlich, wenn jemand anders dieselbe Farbe hat, die du haben willst?«
»Dann gibt es wahrscheinlich wieder ein Attentat«, meinte Keff, während er sich nach einer Seite lächelnd verneigte, als Ferngal zu Ilnirs Gruppe hinüberging.
Nachdem der Kreis des schwarzgekleideten Zauberers sich ein Stück zurückgezogen hatte, breiteten sich Nokias’
Anhänger ein wenig aus, als seien sie dankbar, nun freier atmen zu können. Keff wandte sich an Potria und gewährte ihr sein gewinnendstes Lächeln, doch sie blickte ihn nur vor oben herab an.
»Wie schön, dich wiederzusehen, edle Dame«, sagte er in langsamem, aber deutlichem Ozran. Die schöne bronzefarbene Frau wandte sich spitz ab und blickte in eine andere Richtung.
Der goldene Haarbausch über ihrem rechten Ohr verbarg ihr Gesicht völlig vor seinen Blicken. Keff seufzte.
»Das läuft wohl nicht«, meinte Carialle. »Da hättest du dich ebensogut mit ihrem Sessel unterhalten können. Tz, tz, tz!
Besonders vernunftgeprägt sind deine Hormone ja nicht gerade.«
»Danke für die kalte Dusche, liebste Herzensdame«, sagte Keff halb an Potria, halb an Carialle gewandt. »Du bist vielleicht ein herzloses Weibsstück, bist du!« Das Gehirn kicherte in seinem Ohr.
»Die ist auch nicht viel anders als die anderen hier. Ich habe noch nie im Leben einen solchen Haufen mieser Kunden auf einmal gesehen. Sei bloß wachsam! Gib nicht mehr über uns preis, als du unbedingt mußt. Wir sind auch so schon angreifbar genug. Ich mag keine Leute, die andere zu Tausenden verstümmeln und versklaven, ganz zu schweigen von Kreaturen, die hilflose Schiffe kapern.«
»Du sprichst mir aus der Seele, liebe Dame«, erwiderte Keff fröhlich. »Aber die da sieht nicht ganz so fies aus.«
In der Nähe der Wand, fast versteckt in den Vorhängen hinter einer Vettel in rosa Robe, war die letzte Zauberfrau, die Chaumel unter Verneigungen in den Saal geleitet hatte. Das IÜP erinnerte Keff daran, daß ihr Name Plennafrey war.
In ihrem schlichten, primelgelben Umhang und dem
metallischen, blaugrünen, von der Schulter zum Boden hängenden Schleier verliehen ihr ihre großen, dunklen Augen, das spitze Kinn und die breiten Wangenknochen ein
spitzbübisches Aussehen. Sie schaute zu Keff hinüber und wandte sofort wieder die Augen ab. Keff bewunderte ihr Haar: tintenschwarz mit rostroten Schattierungen, zu einem
Weitere Kostenlose Bücher