Raumschiff der Generationen
Generation in Bausch und Bogen aus ihren Positionen zu werfen, um diese dann selbst einzunehmen.
Es ging ihnen um nichts anderes als um die Macht. Und als das Wort von den »Knüppeln« fiel, fragte sich Marc voller Bitterkeit, ob sich diese jungen Menschen, die sich darauf vorbereiteten, sich die Macht mit Mitteln der Gewalt anzueignen, eigentlich noch so sehr weit von jenen unterschieden, deren Taten sie auf dem antiken Kriegsfilm soeben erst in Grund und Boden verdammt hatten.
Während die Führer der Oppos fortfuhren, den Plan zu erörtern, wie sie ihre Revolution in Gang setzen, wie sie die Stellen in ihre Gewalt bekommen sollten, von denen aus sie ihre Herrschaft antreten konnten, während sie überlegten, in welcher Form sie diese Herrschaft ausüben, in welcher Weise sie die Fehler der »Alten« vermeiden würden; während sie die Posten der Macht verteilten und über diese Verteilung in Streit gerieten, versank Marc immer tiefer in seine Depression.
Diese Depression entstammte nicht allein seiner Unzufriedenheit darüber, daß er sich in eine zweifelhafte Situation mit zweifelhaften Personen eingelassen hatte, sie entstammte vielmehr seiner zutiefst empfundenen Sorge, daß es überhaupt keinen Ausweg mehr gab aus dem Dilemma, in das die Menschen im SCHIFF geraten waren.
Der Konflikt zwischen den Generationen, zwischen Jung und Alt, etwas durchaus Normales, wie er von seinen soziologischen Studien her wohl wußte, hatte unter den besonderen Umständen, die im SCHIFF herrschten, diese Norm längst verlassen und schien sich zu einem Abgrund auszuweiten, in dem Chaos und Anarchie lauerten.
Morgen würden die Jungen die Herrschaft über das SCHIFF antreten. Würden sie die Fehler der Alten vermeiden? Vielleicht. Aber dafür würden sie andere machen, die sich vermutlich nicht weniger katastrophal auswirken würden wie diejenigen derer, die sie ablösten.
Gab es eine Lösung? Und selbst, wenn sie existierte und wenn er sie fand, war damit noch niemand geholfen; denn er, Marc – so glaubte er wenigstens –, war nicht der Mann, der den Menschen im SCHIFF eine Lösung so nahebrachte, daß sie bereit waren, ihm auf seinem Wege zu folgen.
Gemessen an den Zwanzigtausend im SCHIFF war es nur eine kleine Anzahl von Personen, die in dieser Nacht nicht schlief.
Marc, der über die Zukunft des SCHIFFES nachgrübelte und über seine eigene …
Carezzini, die Valerija, vielleicht auch Rhea van Sijn, die aus verschiedenen Gründen und mit verschiedenen Hoffnungen den Morgen erwarteten …
Und auch Terre Constanza, die, im gedrosselten Licht ihrer Schlafleuchte, sich die Möglichkeiten einer genetisch geschaffenen und kontrollierten Gesellschaft vorstellte …
Man mag es als einen Treppenwitz des Schicksals oder auch als eine kosmische Fügung, als Kondensierung unbegreiflicher Kräfte ansehen, daß sich just zu dieser Zeit ein Ereignis anbahnte, das all diese Fragen, Probleme, Hoffnungen und Wünsche in Kürze gegenstandslos werden lassen würde …
7.
Professor Mount Katz und Admiral Ebn elQaaf spielten Schach. Es war schwierig darüber zu urteilen, wer von beiden dieses Spiel mehr liebte. Ihre Schachleidenschaft ging jedenfalls soweit, daß der Schichtplan der astronomischen Abteilung, die dicht unter der Nordpolkappe des SCHIFFES untergebracht war, auf das Hobby der beiden abgestimmt worden war.
Da Katz der Leiter der Abteilung war, hatte es in dieser Hinsicht noch niemals Schwierigkeiten gegeben, ganz besonders nicht, weil dies der einzige Punkt war, in dem der Chefastronom seinen Rang zur Geltung brachte. Der Professor war ein durch und durch friedliebender Mensch.
Im Augenblick hegte er jedoch Gedanken, die einige Grade weniger friedlich waren als sonst. Die Ursache lag in dem Verhalten seines Partners begründet, der, obwohl in einer aussichtslosen Lage, die Partie nicht verloren geben wollte.
›Menschenskind, Ebn!‹ dachte Mount Katz, ›siehst du denn nicht, daß sich einer meiner beiden Freibauern in drei Zügen in eine Dame verwandeln wird. Kein Meister des Universums kann dann noch das Spiel für dich aus dem Feuer reißen!‹ Laut sagte er:
»Ebn, wenn jetzt eine Schachuhr hier stände, hättest du längst wegen Zeitüberschreitung verloren!«
Nach zwei Minuten Schweigens antwortete elQaaf:
»Es steht aber keine da!«
Mount Katz seufzte. Er betrachtete sein Gegenüber. ElQaaf war das, was man wohl als »Anachronismus« bezeichnete. Das kam einmal in der altertümlichen Uniform mit den
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