Raumschiff der Generationen
fünf goldenen Streifen an den Ärmeln und den breiten »Schulterstücken« auf der nachtblauen Jacke zum Ausdruck. Zum anderen hatte der Navigator sich strikt geweigert, den Titel »Admiral«, dessen militärischer Rang und Kommandofunktion bereits vor Jahrzehnten erloschen waren, abzulegen. Und er konnte recht ausfallend werden, wenn »Untergebene« ihn nicht mit diesem Titel anredeten.
Nun ja, dachte Professor Katz, mit einundachtzig Jahren sollte sich der Mensch solche eigentlich recht harmlosen Marotten leisten dürfen. Er stand auf, um sich ein wenig die Beine zu vertreten. Sein Blick fiel auf die Instrumentenwand.
Eine handgroße quadratische Leuchte flammte urplötzlich auf. Im gleichen Augenblick gab die akustische Ortungsanlage ihren knarrenden Warnton von sich. Auf einigen Skalen begann sich Zeiger in Bewegung zu setzen. Monitore leuchteten auf.
Ein Ortungsalarm war zwar eine Angelegenheit, die nicht eben allzuoft geschah, andererseits wiederum bislang nichts Aufregendes mit sich gebracht hatte.
Professor Katz erkannte jedoch mit einem Blick, daß dieses Mal die Situation eine andere war, und als er die ersten Daten der Elektronik in sich aufnahm, stockte ihm der Atem.
»Ebn«, sagte er tonlos, während er unverwandt auf den Monitor starrte, der eine unheimliche Geschichte zu erzählen begann, »komm bitte einmal her …!«
Sie standen auf der Jurij-Gagarin-Passage, die auf der sechsten Ebene durch den Kleinen Stern hindurchführte und dann nach Süden abknickte. Marc hatte diese Straße gewählt, weil sie in einer weitgeschwungenen Parabel am Astronauten-Café über die Neil-Armstrong-Passage hinwegführte. So konnten er und Tanne das Geschehen vor dem Café genau beobachten, ohne fürchten zu müssen, selbst in eine etwaige Auseinandersetzung hineinzugeraten.
Aber zu einer solchen würde es kaum kommen. Die Oppos hatten die Aktion sorgfältig geplant. Sachlich gesehen, war es ein ebenso kluger wie einfacher Schachzug, die drei Personen auszuschalten, die allein den Befehl geben konnten, das Narkosegas einzusetzen.
Marc wußte, daß selbst im Senat der Gebrauch dieser Defensivwaffe umstritten war. Hella hatte ihm erzählt, daß Thoralf und Birger Hansen, der Senator für Wissenschaft und Forschung, dagegen waren. Aber als die Übergriffe der Oppos immer mehr an Häufigkeit und Heftigkeit zugenommen hatten, hatten sie der Installierung der Düsen im Straßensystem schließlich zugestimmt. Um einen Mißbrauch auszuschließen, war das Kodewort, das den Einsatz des Lähmgases auslöste, nur einem beschränkten Kreis von Personen bekannt. Wie Carezzinis Leute die Anzahl und die Namen dieser Personen ermittelt hatten, hatte der Oppochef nicht verraten. Jedenfalls bewies diese Tatsache, daß einige seiner Anhänger über Fähigkeiten verfügten, die denjenigen der »Spione« auf den STV-Filmen kaum nachstanden.
»Noch zwei Tage …«, sagte Tanne Pinarossi.
Marc lächelte. Von allen Folgen, die der Umsturz nach sich ziehen würde, schien ihm selbst eine der wichtigsten die Aufhebung des Numerus clausus auf den Straßen zu sein. Der jetzige Turnus, der jedem Menschen nur an jedem vierten Tag erlaubte, seine Wohnzelle zu verlassen und ihm nur einmal im Jahr gestattete, sich für einen Monat zu jeder Tages- und Nachtzeit uneingeschränkt im SCHIFF zu bewegen, war unerträglich.
Dabei kam Marc der Gedanke, daß es höchst merkwürdig schien, daß Carezzini und die anderen Männer und Frauen seines »Stabes« allesamt zur »Mai-Zeit« gehören sollten. Zu umgehen war dieses Sperrgesetz nämlich nicht. Die überall an den Straßen installierten elektronischen Detektoren identifizierten jeden Passanten anhand seines individuellen Hirnwellenmusters und meldeten jeden Unbefugten unverzüglich der Hauptelektronik. Der Betreffende mußte in einem solchen Fall mit einer Sperre seiner nächsten Freiperiode rechnen.
Nun, möglicherweise hatten sich Personen gefunden, die aus persönlichen Gründen bereit gewesen waren – genau wie in seinem und Tannes Fall –, ihre Freiperioden zu tauschen. Das war jedoch nur alle fünf Jahre einmal erlaubt. Der Schluß lag also nahe, daß Carezzini den Zeitpunkt des Putsches bereits lange im voraus geplant und darauf hingearbeitet hatte. Der Fund der Kassette mit dem alten Kriegsfilm sanktionierte diesen Putsch, stempelte ihn zur legitimen Selbsthilfe derer, die hintergangen worden waren. Der Zeitpunkt des Fundes, gerade zu diesem rechten Augenblick, war allerdings – fand
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